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K O M M E N T A R Das Literaturgespräch ist tot

■ Es starb im Mustopf-Mief der selbsternannten Aufklärer

Das Bremer Literaturgespräch ist tot. Im Januar 1989 gab es nach 15 Jahren den Geist auf in der bürgernah verbrämten Schäbigkeit des Bürgerhauses Weserterrassen. Es starb nicht am Interesse des Publikums. Das fand sich trotz abschreckendster Erfahrungen ein, wenn auch am Ende auf einen kleinen harten Kern geschrumpft, der sich erst davonschlich, als die für 6 Mark erkaufte Langeweile überhaupt nicht mehr auszuhalten war.

Das Bremer Literaturgespräch starb, weil seine Organisatoren es heruntergewirtschaftet haben und weil es ein neues Konzept braucht. Es starb am Mief des Lager -Mustopfs: die Ratio der Auswahl der LiteraturproduzentInnen folgte z.T. der Nestwärme zwischen guten alten WerkkreisBekannten (1. Podium) oder Jürgen Alberts Spezialinteresse an solchen KrimiautorInnnen mit progressivem Anspruch (2. Podium), wie er selber einer ist. Die thematischen Fragestellungen folgten einer Polarisierung von aufklärerischer gegen undefinierte, irgendwie angepaßt-innerliche igitt-Literatur, deren Überholtheit am ersten Abend außer dem Podium fast jeder im Saal klar zu sein schien. Beim ersten Podium führte das zur peinsam-larmoyanten Eintracht eines selbsternannten Aufklärerhäufleins schlechter SchriftstellerInnen. Beim zweiten Podium schlug dann die Unbegriffenheit der dreist vereinnahmten Aufklärung zurück: Moderator Jürgen Alberts drückte sich systematisch an der Fragestellung der Organisators Alberts vorbei, worin beim Krimi das Aufklärerische bestehe.

Wer an der Wiederbelebung der Literaturgespräche interessiert ist (Hallo Herr Opper, ist das eigentlich noch jemand?), müßte eine Verantwortliche finden, die außer Vetterles sonst noch jemanden organisieren kann, die endgültig das angemaßte Podest der Aufkärer über dem Rest der Welt verläßt, der Neugier auf aktuelle Literaturproduktion kenntnisreich frönt und Literaturpreisträger in die literarische Woche integriert.

Das Bremer Literaturgespräch ist geboren in der Zeit um 1974, als sich der erste RAF-Häftling, Holger Meins, aus Protest zu Tode hungerte. Es fungierte bis Anfang der 80er Jahre als literaturkritisch-reflektierender Gegenpart zum Schulterschluß der Linksausgrenzer; nach der Wende vom populistisch gestützten Repressionsstaat zur unübersichtlich ausufernden Wenderepublik suchten die Literaturgespräche nach neuer Funktion im akademistelnden Sprung über hoch oberhalb der Literatur angelegten Themenlatten aus der Welt der Simulation (1987) und der Welt der Computer (1988). Das endete in selbstdarstellerischen Krämpfen aller Geladenen und mit den ABM-Verträgen des Organisatoren-Duos Schömel/ Rothermund. 1989 gingen die Literaturgespräche kaputt in der familialen Hemdsärmeligkeit der angemaßten Aufklärer. 1990 wollen wir Literaturgespräche, die diesen Namen verdienen, oder keine. Uta Stolle

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