: Geld stinkt nicht!
„Boxen für die Apartheid“ mitten im schwarzen Berlin ■ PRESS-SCHLAG
Wilfried Sauerland, der smarte und mit allen Wassern gewaschene Box-Promoter und Rocchigiani-Manager, stellt sich dumm: „Wir können doch nicht einen in Südafrika sowieso verfolgten Schwarzen noch einmal bestrafen.“
Aber Sauerland ist keineswegs dumm. Er wußte genau, worauf er sich einließ, als er den schwarzen Südafrikaner Thulane Malinga als Herausforderer für Graziano Rocchigianis freiwillige Verteidigung seines Weltmeistertitels im Super-Mittelgewicht akzeptierte. Und so war er auch bestens vorbereitet, als die Anti-Apartheid-Bewegung und andere politische Gruppen begannen, gegen den Berliner WM-Kampf zu agitieren. Während Champ Rocchigiani höchst ungnädig reagierte und sich erbot, die Querulanten eigenhändig aus einer Pressekonferenz zu werfen, tat Sauerland sofort Gesprächsbereitschaft kund, äußerte Verständnis für die Proteste („In einer Demokratie ist so etwas glücklicherweise möglich“) und gab bekannt, auf Flaggen und Hymnen verzichten zu wollen, Malinga also sozusagen als Privatmann boxen zu lassen. Im übrigen sei er selbst gegen die Apartheid.
Das muß er auch sein, denn schließlich will seine Firma weiterhin Getränkeabfüllanlagen nach Schwarzafrika verscherbeln. Aber „pecunia non olet“, wie ein gewisser Herr Vespasian einst scharfnäsig bemerkte, und selbst den Dollars, die aus Südafrika kommen, ist es bislang gelungen, olfaktorischer Anrüchigkeit zu entgehen. Sauerland jedenfalls nimmt sie herzlich gern, und die Zuwendungen des Fernsehens, das live nach Südafrika übertrug, und der Sponsoren aus dem Apartheidstaat dürften es gewesen sein, die diesen Boxkampf in Frau Lauriens heißgeliebter „Sportstadt Berlin“ ermöglichten.
Der politische Rummel, der den Kampf im Vorfeld begleitete, war zusätzlich Balsam für des Sauerlands geschäftliches Seelchen. Wohl nie zuvor hat er einen Boxer betreut, der so maulfaul, mürrisch und langweilig wie Graziano Rocchigiani ist. Das macht den Box-Ästheten aus Neukölln zwar in gewisser Weise sympathisch, publicity-mäßig aber ist es eine Katastrophe. Wenn also mit dem Weltmeister schon kein Staat zu machen ist, muß wenigstens sein Gegner für Aufsehen sorgen. Und auch diese Rechnung Sauerlands ist im Fall Malinga aufgegangen.
Für die Machthaber in Südafrika, denen der Sport stets Mittel zum Prestigegewinn bedeutete, war der Berliner Weltmeisterschaftskampf ein unschätzbarer Glücksfall. Ihnen bläst seit geraumer Zeit ein scharfer Wind ins Gesicht, die Schwarze Liste der UNO tut ihre Wirkung, die letzten Schlupflöcher im Terrain des internationalen Sports werden nach und nach gestopft. Nach dem Internationalen Tennisverband, der Johannesburg aus dem Grand-Prix -Turnierplan strich, hat sich vor einigen Tagen sogar der Internationale Cricketverband, eine der traditionellen Bastionen des Apartheidsportes, dem Südafrika-Boykott angeschlossen. Und da selbst die beiden großen Verbände der Profi-Boxer, WBA und WBC, kaum noch etwas von Südafrika wissen wollen, kommt solch ein windiger und williger Parvenü wie die International Boxing Federation (IBF), deren Titelträger Rocchigiani ist, den Bleichgesichtern vom Kap gerade recht.
Entsprechend erzürnt äußerte sich Toni Seelos, Vertreter des African National Congress (ANC) in der BRD, gegenüber der taz: „Da gibt es diesen großen Erfolg mit dem Boykottbeschluß des Cricketverbandes, und dann dieser Boxkampf.“ Der ANC sei strikt gegen solche Kämpfe, denn „sie fördern Apartheid“. Die Schwarzen, die sich dafür hergeben, sollten der Welt vorspiegeln, daß es in Südafrika gleiche Chancen für alle Sportler gebe. Wie sie behandelt werden, grenze an „Sklaverei“.
Malinga selbst und sein Manager griffen zur gewohnten Ausrede all derer, die den Sportboykott brechen: „Wir sind Sportler und keine Politiker.“ (Siehe untenstehendes Interview).
Wilfried Sauerland indes ist Geschäftsmann und kann sich die Hände reiben. Sein Schützling gewann nach Punkten, steht somit für weitere faustische Großtaten bereit, und anstelle der knapp 5.000 Zuschauer bei Rocchigianis letztem Titelkampf kamen diesmal stolze 6.000. Unter diesen Umständen lassen sich die etwa hundert, von einem großen Polizeiaufgebot mißtrauisch beäugten Anti-Apartheid -Demonstranten vor der Deutschlandhalle und der kleine Knacks im Image locker verkraften.
Matti
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