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Familienkrach in Spanien

Sechs Wochen nach dem Generalstreik zeichnet sich trotz langer Verhandlungen noch keine Einigung zwischen sozialistischer Partei und sozialistischer Gewerkschaft über die Wirtschafts- und Sozialpolitik ab / Die Gewerkschaften drohen mit neuen Mobilisierungen für den 31.Januar  ■  Aus Madrid Antje Vogel

Die erste Verhandlungsrunde dauerte sechs Stunden und endete böse. Eher nehme er seinen Hut, als daß er sich von den Gewerkschaften über den Tisch ziehen lasse, drohte der spanische Regierungschef Felipe Gonzalez. Seine beiden Kontrahenten, der Führer der kommunistischen Gewerkschaft „Comisiones Obreras“ (CCOO), Antonio Gutierrez, und der Chef der sozialistischen „Allgemeinen Arbeiterunion“ (UGT), Nicolas Redondo, sprachen von einem runden Fehlschlag. Die Spanier schreckten aus der nachweihnachtlichen Dösigkeit auf und erinnerten sich wieder an den Generalstreik am vergangenen 14.Dezember.

Überraschungserfolg

beim Generalstreik

An jenem Tage hatten mehr als acht Millionen Spanier die Arbeit niedergelegt, um gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der sozialistischen Regierung zu protestieren. Aufgerufen hatten vor allem CCOO und UGT, letztere hatte damit den Stillhaltepakt gekündigt, den sie mit „ihrer“ Regierung in den vergangenen Jahren gehalten hatte. Felipe Gonzalez, von dem Erfolg des Ausstands genauso überrascht wie die Gewerkschaften selbst, hatte wenige Tage darauf vor dem Parlament ungewohnte Selbstkritik geübt und Änderungen angekündigt. Doch am Ende des ersten Marathongesprächs am 11.Januar war es mit seiner Zurückhaltung schon wieder vorbei. Seither haben weitere Verhandlungsrunden stattgefunden, die letzte scheiterte am 25.Januar. Am 31. dieses Monats läuft die Frist ab, die sich beide Seiten für eine Einigung gesetzt hatten. Für die Zeit danach sind Spekulationen keine Grenzen gesetzt. Die Gewerkschaften sprechen vage von „Mobilisierungen“, einen neuerlichen Generalstreik schließen sie jedoch vorläufig aus. Man darf aber mit Aktionen in den Betrieben und eventuell auch einer Demonstration in Brüssel rechnen.

Zähes Feilschen um eine halbe Milliarde Peseten

Die Erfüllung der fünf Gewerkschaftlichen Forderungen würde rund eine halbe Milliarde Peseten (etwa 7,5 Millionen kosten. Was von den Gewerkschaften - den Generalstreik als Stärkung im Rücken - als Grundvoraussetzung geplant war, hat sich inzwischen zum Objekt zähen Feilschens entwickelt. 300.000 Peseten verteilt auf zwei Jahre, lautet derzeit das „letzte Angebot“ der Regierung, die sich über mangelndes Entgegenkommen der Gewerkschaften beklagt. Diese hingegen finden das Angebot der Regierung nicht weitgehend genug.

Filipe Gonzalez

im Popularitätstief

Beide Seiten stehen unter erheblichem Druck. Seit der Ankündigung des Generalstreiks im Herbst streuen Mitglieder der Sozialistischen Partei beharrlich Gerüchte aus, bei einem Andauern der Konflikte werde Felipe Gonzalez zurücktreten - Gerüchte, die von diesem ebenso beharrlich dementiert werden. Meinungsumfragen ergeben, daß sich die regierende sozialistische PSOE in einem Popularitätstief befindet und bei Wahlen heute nur noch 35 Prozent der Stimmen bekäme, statt 44 Prozent wie noch bei den Wahlen im Jahr 1986. Profit schlägt daraus - wenn auch ohne eigenes Zutun - die Zentrumspartei CDS des Adolfo Suarez, der zwar wie fast immer bei politischen Konflikten - auf Tauchstation gegangen ist, jedoch einem Teil der ehemaligen PSOE-Wähler aus unerfindlichen Gründen als linke Alternative zu Gonzalez gilt.

Auch die rechte Volkspartei (Partido Popular) des Manuel Frage Iribarne, bis vor kurzem noch Volksallianz genannt, hofft, auf dem Konflikt zwischen Regierung und Gewerkschaften ihr Süppchen kochen zu können. Bei eventuellen Neuwahlen in diesem Jahr könnten Volkspartei und CDS koalieren und die Regierung bilden, denn ein triumphgewohnter Gonzalez würde sich weigern, mit weniger als der absoluten Mehrheit zu regieren.

Gähnende Leere in den Gewerkschaftskassen

Nur ein Erfolg bei den Verhandlungen könnte Gonzalez aus dem aktuellen Tief heraushelfen, doch diesen Schritt verhindert bislang wohl hauptsächlich sein Dickkopf. Auch der zweite Dickkopf in dem Konflikt, UGT-Chef Nicolas Redondo, der seinen politischen Zögling Felipe, damals unter den Bedingungen der Klandestinität noch „Isidoro“ genannt, Ende der siebziger Jahre auf den Posten des Parteichefs hievte, spielt sich in diesem Konflikt politisch um Kopf und Kragen. Denn der Erfolg des Generalstreiks verdeckt die eigentliche Schwäche der Gewerkschaften.

Gerade 15 Prozent aller spanischen Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert, und die Gewerkschaftskassen dementsprechend leer. Längere und kostspieligere Auseinandersetzungen können sich die beiden spanischen Gewerkschaften nicht leisten. Daß die sozialistische UGT, die erst nach dem Tod Francos im Jahre 1975 entstanden ist, mittlerweile mit den aus den Jahren der Franco-Diktatur kampferprobten Comisiones Obreras gleichziehen konnte, hat sie hauptsächlich der kräftigen Unterstützung durch „ihre“ Partei, die PSOE, zu verdanken. Ein wesentlicher Teil dieser Unterstützung besteht in der Verpflichtung für alle PSOE -Mitglieder, gleichzeitig Mitgleid der UGT zu sein - ein Relikt aus den Zeiten, in denen die PSOE die parlamentarische Vertretung der Arbeiterklasse sein wollte.

Diese Verflechtung zwischen Gewerkschaft und Partei wird nun gegenseitig als Druckmittel eingesetzt. Wenn die UGT mit ihrer Konfrontationspolitik nicht aufhöre und insbesondere jene 140 Mitglieder nicht wiederaufnehme, die wegen ihrer Haltung gegen den Generalstreik vom 14. Dezember vergangenen Jahres ausgeschlossen worden sind, müsse man ernsthaft überlegen, die Doppelmitgliedschaft aufzuheben, drohte Gonzalez vor kurzem. Wenn die PSOE ihre Politik nicht ändere, müsse man eben eventuell andere Parteien unterstützen, konterte daraufhin einer der UGT-Führer, Anton Saracibar.

Spekulationen über die Wende wuchern

Wenn es auch innerhalb der UGT Gegner des Redondoschen Konfrontationskurses gibt, so reicht der Streit um die Konfliktlösung jedoch auch in die Partei und nagt an der berüchtigten Disziplin. Der linke Flügel der PSOE, „Izquierda Socialista“, hatte von Anfang an den Generalstreik unterstützt und hofft, so sein Sprecher Antonio Santesmases, daß die Regierung doch noch einlenkt.

Der Generalsekretär der PSOE in der Provinz Biskaya, Ricardo Damborenea, fordert hingegen einen außerordentlichen Parteikongreß, um die Politik der PSOE und der Linken allgemein zu diskutieren. Auf sonderlich viel Sympathie ist er mit dem Vorschlag allerdings bislang nicht gestoßen.

Unterdessen üben sich die politischen Beobachter in Sterndeuterei. Gonzalez wird im letzten Moment einlenken, meinen die einen - er bleibt stur, und es kommt zu Neuwahlen, die anderen. Presseberichte, Gonzalez plane eine politische Wende an den Gewerkschaften vorbei, die er in der Rede zur Lage der Nation Mitte Februar ankündigen werde, wurden umgehend dementiert. In den nächsten Wochen wird sich viel entscheiden. Unterdessen bleibt der Vorhang fast zu und viele Fragen offen.

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