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Bremer SPD: Eine Frau an der Spitze

SPD-Landesparteitag wählte ohne Personaldebatte Ilse Janz, eine Stadtwerke-Angestellte aus Bremerhaven, zur ersten Landesvorsitzenden  ■ P O R T R A I T

Klaus Wolschner

Die Frauen in der SPD sind im Vormarsch. Nach dem Hamburger Landesverband hat jetzt auch im Städtestaat Bremen eine Frau die Position der ersten Vorsitzenden erreicht: Ilse Janz (43) war schließlich auf dem Landesparteitag Kandidatin ohne Konkurrenz, nachdem der Bundestagsabgeordnete Ernst Waltemathe in seinem eigenen Unterbezirk keine Unterstützung gefunden hatte. Die Bremerhavenerin, die bei den Stadtwerken in der Mahn-Abteilung beschäftigt ist, hat ihre Parteikarriere in der Gewerkschaft und in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen begonnen. 1979 kam sie ins Bremerhavener Stadtparlament, 1987 versuchte sie vergeblich, den Bremerhavener Bundestagsabgeordneten Grunenberg von seinem Platz zu verdrängen. Immerhin stieg sie 1987 in das Landesparlament auf und wurde auch stellvertretende Landedvorsitzende.

Im vergangenen November kam Ilse Janz‘ Chance, als Herbert Brücker von dem höchsten Parteiamt zurücktreten mußte. In seine Verantwortung als früherer Gesundheitssenator fällt ein Krankenhaus-Skandal, vor allem aber war er dem regierenden Bürgermeister Klaus Wedemeier unbequem, mit dem er in heftigen Querelen lag. Seit November 1988 führte Ilse Janz die Parteigeschäfte schon kommissarisch, 137 von 181 Delegierte wählten sie am vergangenen Samstag zur ersten Landesvorsitzenden.

„Feministin bin ich nur gelegentlich“, erklärte Ilse Janz der taz, und: „Beim Gerede über mehr Weiblichkeit in der Politik stehen mir die Haare zu Berge.“ Auch in anderen Politikbereichen wird der Bremer Senat von der Landesvorsitzenden wenig Einmischung befürchten müssen. Letztes Beispiel: Als im Dezember die kommissarische SPD -Chefin aus der Zeitung erfuhr, daß gegen eine lange debattierte, 1987 im 'Bremen-Plan‘ zum politischen Programm erhobene Zuordnung der Bau-Abteilung in die Kompetenz der Umweltsenatorin rückgängig gemacht werden sollte, gab sich Janz zunächst im Radio-Interview erbost - und stimmte dann am nächsten Tag in der SPD-Landtagsfraktion ohne Murren für die Senats-Entscheidung und gegen das Partei-Programm. Sie habe sich offenbar „zu scharf gegen Rüstungsindustrie“ ausgesprochen, erklärte sich Ilse Janz ihren Mißerfolg in der innerparteilichen Konkurrenz um den Bundestags -Wahlkreis. 1990 wolle sie es wieder versuchen.

Zu der Debatte der letzten Monate um die Mammut-Fusion Daimler-MBB hat man von der SPD-Chefin allerdings dann nichts gehört. In dem unter 15% Arbeitslosigkeit und staatlicher Finanznot leidenden Bremen ist schon der Auto -Konzern als größter privater Arbeitgeber ein politischer Faktor gewesen, der die sozialdemokratische Landesregierung vor Identitäts-Probleme stellte. Zusammen mit den 3.000 Arbeitsplätzen bei MBB/Erno, die u.a. an Marinetechnik, Jäger 90 und bemannter Raumfahrt (Columbus-Projekt) verdienen, ist das Bekenntnis gegen Rüstungsindustrie in Bremen eine delikate Angelegenheit geworden. Der Amtsvorgänger von Janz, Brückner, hatte vom Bürgermeister mehr Sensibilität in dieser Sache und zumindest verbale Rücksichtnahme auf sozialdemokratische Bauchschmerzen gefordert. Brückner hatte angekündigt, er wolle mit den Hamburger Genossen darüber reden, ob die 28%-Länder-Anteile aus Hamburg und Bremen irgendwie zur Durchsetzung sozialdemokratischer Parteitagsbeschlüsse (Ablehnung der Fusion) genutzt werden sollten. Die Hamburger SPD-Chefin wußte allerdings im vergangenen Herbst noch überhaupt nicht, worum es ging. Als die Fusion im Dezember konkret wurde, hörte man auch von der Bremer SPD nichts mehr.

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