Graue Post mit roten Zahlen und schwarzen Flecken

Auf der Telekommunikations-Messe „Online '89“ in Hamburg diskutieren Experten die Zukunft der deregulierten Post / „Netzmonopol“ gegen „Vermummungsverbot“?  ■  Aus Hamburg Horst Buchwald

Einige schüttelten den Kopf, andere schlossen empört die Augen. Peter Paterna, Fachmann der SPD für Fragen der Telekommunikation, bestätigte lächelnd, Postminister wäre er gern. Und er bemühte sich auch gleich, einige Alternativen zu den Plänen des noch amtierenden Ministers Schwarz -Schilling aufzuzeigen. Begeisterung unter seinen ZuhörerInnen weckte er damit aber nicht.

Das Zauberwort auf der am Montag begonnenen Hamburger Telekommunikationsmesse „Online 89“ heißt weiterhin Deregulierung. Da kommt alles schlecht an, was nach staatlichem Eingriff, nach Behinderung und Regelung riecht. Dabei war das, was gegen die Postreformpläne des schelmisch lächelnden und brav gescheitelten Oberpostlers aus der Bonner Regierung vorgebracht wurde, keineswegs von Pappe.

Parlamentarische Kontrolle, so Paterna, findet nicht statt. Die CDU/CSU-Mehrheit empfinde sich nicht als Kontrollorgan, sondern als Schutz- und Trutzbündnis. Es würden wegen zahlreicher Ungereimtheiten und Widersprüche in den Reformplänen Kompromisse geschlossen nach dem Motto: Tausche Netzmonopol gegen Vermummungsverbot.

Nach Aussagen von Ministerialrat Tenzer aus der Bonner Postverwaltung steht das Netzmonopol der Bundespost jedoch keineswegs auf der Tauschliste. Es beschränke sich nämlich, so stellt er fest, nur noch auf die unterste Infrastrukturebene und umfaßt nicht mehr die Vermittlungsfunktionen in einem vermittelten Netz. Das bedeutet zum Beispiel auch, daß Satelliten- und Mobilfunk den Privaten überlassen wird. Anders gesagt: Die Post finanziert den in diesen Bereichen tätigen Unternehmen ein leistungsfähiges Übertragungsnetz, auf dem diese nach freiem Ermessen eigene Netze errichten und darüber Dienste und Dienstleistungen anbieten können. Von dieser Deregulierung profitieren dann auch Siemens, Daimler/MBB oder Bosch einerseits als Lieferanten der dafür nötigen Ausrüstung, andererseits aber auch als Großkunden. Bei der Diskussion über die Neuregelung des Fernmeldewesens in der Bundesrepulbik waren sie zwar vertreten, hielten sich aber vornehm zurück. Sie müssen sich auch nicht exponieren, läuft doch alles nach ihren Vorstellungen. Paterna beschrieb das so: Referentenentwürfe werden nur über undichte Stellen bekannt, und Kabinettsentwürfe bekommen die Parlamentarier ohnehin nicht zu sehen. Und Änderungen am Poststrukturgesetz, die auch von den Kaolitionsparlamentariern gestützt werden, erweisen sich letztlich als Vorgaben aus der Ministerialbürokratie. Insofern ist die Erinnerung an die Gesundheitsreform durchaus angebracht.

Doch im Falle des Poststrukturgesetzes geht die Entwicklung weiter. Schließlich gehen seriöse Prognosen davon aus, daß im Jahre 2000 die Telekommunikation die gleiche volkswirtschaftliche Bedeutung haben wird wie gegenwärtig die Automobilindustrie. Zugleich zeichnet sich mit dem nach 1992 angekündigten EG-Binnenmarkt eine neue Qualität der Konkurrenz ab. Daß sich die führenden Konzerne dieser Branche durch Übernahmen und Verflechtungen darauf intensiv vorbereiten, zeigt sowohl der Fusionsangriff der Elektroriesen Siemens und General Electric auf das britische Telekommunikationsunternehmen Plessey als auch das Eindringen von Daimler Benz über MBB und AEG in den Telekommunikationsmarkt. Ob es dann noch den von den Konzernen immer wieder hochgelobten freien und fairen Wettbewerb gibt, muß sehr bezweifelt werden.

Vor allem für die Bundespost und seine Beschäftigten haben die Umstrukturierungen weitgehende Folgen. Nicht nur Paterna äußerte auf der „Online '89“ ernsthafte Zweifel, ob die Post dem Druck der weltweit operierenden Konzerne auf die Dauer wird standhalten können. Fast alles, so der SPD-Politiker, was die Post an Diensten nach der Umstrukturierung anbiete, sei nicht kostendeckend. Schon nach kurzer Zeit dürfte die geschrumpfte Telekom-Post seiner Ansicht nach in die roten Zahlen rutschen. Und in der Regel würde das durch steigende Tarife aufzufangen versucht.

Die von Tenzer angekündigten Quersubventionen profitabler Postbereiche zugunsten der defizitären im Falle eines sich abzeichnenden hohen Defizits stießen bei den Unternehmensvertretern keinesfalls auf Gegenliebe. Ein Vertreter von AT&T forderte ganz offen „Lösungen“ im wahrsten Sinne des Wortes wie in Großbritannien und den USA, wo bereits private Netze zugelassen sind.

Vor diesem Hintergrund ist allerdings auch fraglich, ob die Post-Beschäftigten ihrer Arbeitsplätze sicher sein können. Die Tatsache, daß sie in einer von der Deutschen Postgewerkschaft im letzten Jahr durchgeführten geheimen Abstimmung den Entwurf des Poststrukturgesetzes mit einer überwältigenden Mehrheit von über 96 Prozent abgelehnt haben, zeigt unübersehbar, daß Schwarz-Schilling bis zum Juli - dem Zeitpunkt, an dem das Gesetz in Kraft treten soll - noch mit einigem Gegenwind zu rechnen hat. Nicht von ungefähr hat es der Minister bisher vermieden, Prognosen über die finanziellen Folgen der Deregulierung vorzulegen. Wer jedoch multinationalen Konzernen die zukunftsträchtigen Bereiche Satelliten- und Mobilfunk überläßt, das Netzmonopol auf das Übertragungsmonopol reduziert und alle Dienstleistungen außerhalb des Telefondienstmonopols dem „freien Wettbewerb“ überläßt, muß mit hohen Einnahmeverlusten rechnen. Und solche Entwicklungen ziehen in der Regel Rationalisierungen und damit auch Arbeitsplatzverluste nach sich.

Doch nicht nur aus diesem Grunde sprachen sich die Beschäftigten gegen die Postreform aus. Die geplante Dreiteilung des jetzigen Unternehmens Bundespost in Postdienst, Postbank und Telekommunikation bedeutet eine Spaltung der bisher einheitlichen Personalvertretung. Im Infrastrukturrat schließlich ist eine Vertretung der Beschäftigten nicht vorgesehen, die es ja im jetzt noch bestehenden Postverwaltungsrat gibt. Mit anderen Worten: Die Deregulierung wird gleichzeitig zum Abbau der Mitbestimmungsrechte benutzt.