piwik no script img

„Auftrag zu einer Wende der Politik in Berlin“

Programm der Sozialdemokraten für Koalitionsverhandlung mit CDU und AL  ■ D O K U M E N T A T I O N

(...) Politische Entscheidungen können sich nicht nur auf möglicherweise knappe - rechnerische Mehrheiten im Parlament stützen, sie müssen auch auf gesellschaftlicher Zustimmung basieren. Die CDU muß daher endlich erkennen, daß ihr politisches Modell für Berlin, das zuletzt mit einer immer schlimmer werdenden Arroganz der Macht gegen alle Warnungen und Proteste durchgesetzt wurde, am vergangenen Sonntag abgewählt worden ist. Die AL muß endlich erkennen, daß es für einige der von ihr vertretenen Forderungen und Positionen in keiner Weise eine breite gesellschaftliche Zustimmung gibt und diese daher auch nicht in Berliner Regierungspolitik einfließen können. (...)

Die Mehrheit der BerlinerInnen und Berliner will:

1. Die wirksame Bekämpfung der Wohnungsnot.

Berlin wird in Bonn einen Vorstoß unternehmen, um im Rahmen eines Landesmietengesetzes (Bundesermächtigung) die Wiedereinführung und Ausweitung der Mietpreisbindung zu erreichen. Für diesen Vorstoß sind nicht nur Zusagen der Berliner CDU, sondern auch Zusagen der Bonner CDU erforderlich. Berlin muß in den kommenden Jahren jährlich 7.500 Wohnungen neu bauen. Die Wohnungen sollen überwiegend im Sozialen Wohnungsbau und ausschließlich von städtischen und gemeinnützigen Wohnungsunternehmen errichtet werden.

2. Die Rücknahme der Bonner Gesundheitsreform.

Berlin muß in Bonn einen Vorstoß zur Rücknahme der unsozialen Gesundheitsreform unternehmen. Mindestens muß diese sogenannte Reform in ihren schlimmsten Auswirkungen korrigiert werden. Für die Bereitschaft zu einer solchen Korrektur bedarf es nicht nur der Zusagen der Berliner CDU, sondern auch der Bonner CDU. (...) Darüber hinaus wird Berlin einen Baustopp für das RVK-Klinikum beschließen und prüfen, wie eine neue Aufgabenteilung zwischen dem RVK und dem Klinikum Westend gestaltet sein kann. Die eingesparten Mittel sollen für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung, insbesondere bei den Pflegekräften, eingesetzt werden.

3. Mehr Arbeitsplätze und wirtschaftliche Sicherheit.

(...) Das von der SPD vorgeschlagene Programm „Arbeit und Umwelt“, das 15.000 Arbeitsplätze schaffen kann, wird unverzüglich in die Tat umgesetzt. (...)

4. Eine ökologische Modernisierung Berlins.

(...) Die autobahnähnliche Nord-Süd-Straße wird nicht gebaut. Bei der BVG wird eine preisgünstige Umweltkarte eingeführt. Es werden Busspuren an den wichtigsten Hauptstraßen angelegt. Der Flächennutzungsplan wird so geändert, daß das vorhandene Grün in der Sadt erhalten bleibt. Die Abfallpolitik wird neu orientiert und auf die Vermeidung und Wiederverwendung von Abfall umgestellt. Die Energiepolitik des Landes Berlin muß den Vorschlägen der Enquetekommission des Abgeordnetenhauses entsprechen.

(...)

6. Die Wiederherstellung der inneren Liberalität

(...) Berlin soll ein Verfassungsgericht erhalten. Die Führung der Polizei und des Verfassungsschutzes werden im gegenseitigen Einvernehmen neu strukturiert. Der Verfassungsschutz muß effektiv kontrolliert werden können. Das Verfassungsschutzgesetz wird so reformiert, daß dieser Dienst auf seine eigentlichen Aufgaben eng zurückgeschraubt wird. Die zu unrecht gespeicherten Daten zahlloser Bürger werden gelöscht. Der Widerstand gegen jede Art von Ausländerfeindlichkeit, die Erweiterung der Rechte der Ausländer und die Verstärkung der Bemühungen um ihre Integration bei Wahrung und Förderung ihrer kulturellen Besonderheiten ist die einzig mögliche Antwort auf ausländerfeindliche Parolen und Parteien. Mit einer liberalen Ausländerpolitik muß Berlin ein Klima des besseren Verstehens und Akzeptierens schaffen und so den Vorurteilen den Nährboden entziehen. Dazu gehört zentral die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer, die mindestens fünf jahre rechtmäßig bei uns leben. Die Wartezeitenregelung für den Familiennachzug soll aufgehoben werden.

7. Eine Re-Demokratisierung der Berliner Hochschulen.

Das Hochschulrahmengesetz und das Berliner Hochschulgesetz werden so geändert, daß die Gremien unter Beachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils wieder viertelparitätisch zusammengesetzt sind. Im Bundesrat wird eine Initiative gestartet, die eine Verbesserung des Bafög, insbesondere die Wiederherstellung der Förderung zu einem überwiegenden Teil als Zuschuß statt als Darlehen, zum Ziel hat. Die Hochschulen werden personell und materiell wesentlich besser ausgestattet. Anstelle von Stundentafelkürzungen in den Schulen werden 700 LehrerInnen mit Dreiviertelstellen eingestellt.

8. Gleichstellung von Frauen und Männern.

(...) Beim Regierenden Bürgermeister wird eine Gleichstellungsstelle mit weitreichenden Kompetenzen eingerichtet.

9. Die Bekämpfung des Fluglärms.

Der Flughafen Tegel darf nicht ausgebaut werden. Mit den Alliierten werden unverzüglich Gespräche aufgenommen, die das Ziel haben, die Deregulierung des Flugverkehrs von und nach Berlin rückgängig zu machen. (...)

Als „zusätzliche Anforderungen“ fügte der SPD -Fraktionsvorsitzende noch einmal seine Essentials hinzu: Er will „Regierender“ werden, erklärte er an die Adresse der CDU. Die AL müsse den Status der Stadt, die Präsenz der Alliierten und die Rechtseinheit mit dem Bund anerkennen und sich „von jeglicher Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung distanzieren“. Zudem verlangt die SPD für den Fall einer „rot-grünen Koalition“, daß diese „über den vollen Zeitraum einer Legislaturperiode verläßlich und berechenbar arbeiten“ kann, die AL soll „sicherstellen, daß Absprachen mit der AL-Fraktion eingehalten werden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen