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Ramstein war Rettungskatastrophe

Untersuchungsbericht deckt schwere Mängel auf  ■  Von K.-P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Ungenügende Vorbereitung auf einen möglichen Unglücksfall und demzufolge ein Versagen des örtlichen medizinischen Katastrophenschutzes.“ Mit diesen, für die rheinland-pfälzische CDU-FDP-Landesregierung in Mainz niederschmetternden „Essentials“ wartet der jetzt vorliegende Bericht über die Untersuchung des Innenausschusses des Landtages auf, der sich auf Initiative der SPD in zwei öffentlichen Sitzungen mit der Katastrophe von Ramstein beschäftigt hatte.

Sozialdemokraten und Grüne lasten die „mangelnde Vorbereitung des Flugtages“ und die daraus resultierenden „tragischen Folgen“ dem für den Katastrophenschutz zuständigen CDU-Innenminister Rudi Geil an, der noch Wochen nach dem Inferno auf der Rollbahn, das 70 Menschen das Leben gekostet und Hunderte entstellt hat, die Katastrophe in der Katastrophe „mit Halb- und Unwahrheiten“ verschleiert habe. So habe sich die von Geil vor dem Landtag beschworene „gute Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Stellen bei der Bewältigung der Folgen der Katastrophe, also auch die Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und deutschen Stellen“ als „reine Gesundbeterei“ (SPD) erwiesen. In der Tat gab es im Vorfeld des Flugtages beim Rettungswesen keinerlei Absprachen zwischen bundesdeutschen- und US -amerikanischen Offiziellen. Fortsetzung auf Seite 2

Die Schutzmaßnahmen wurden den US-Dienststellen und einer „völlig überforderten deutschen privaten Organisation“ - dem DRK-Kreis

verband Kaiserslautern - überlassen. Alle vorbeugenden Maßnahmen, die aufgrund des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes vom Innenminister hätten ergriffen werden müssen, wurden nicht eingeleitet. Insbesondere seien entsprechende Vereinbarungen mit den US -Streitkräften nicht getroffen worden. Selbst die von Geil vor dem Landtag bei der Zurückweisung der Vorwürfe der Oppositionsparteien angeführten Katastrophenschutzübungen, die US-Amerikaner und Deutsche im Hinblick auf einen möglichen Flugzeugabsturz in Ramstein in der Vergangenheit durchgeführt hätten, wurden im Innenausschuß als Schutzbehauptungen enttarnt: Bei den von Geil genannten „Vollübungen“ ging es um ganz andere Szenarien.

All diese Versäumnisse im Vorfeld des Absturzes der Maschinen der „frecci tricolore“ - so der Untersuchungsbericht weiter - hätten dazu geführt, daß die hastig eingeleiteten Hilfs- und Rettungsmaßnahmen „völlig unkoordiniert“ abliefen. Nach den Aussagen von Ärzten vor dem Ausschuß gab es weder ein einheitliches Rettungskonzept noch

eine für die Koordination verantwortliche Einsatzleitung noch ausreichende technische Kommunikationsmöglichkeiten. Die örtliche Einsatzleitung des DRK hatte noch nicht einmal eine direkte Telefonleitung von der Air-Base nach außerhalb eingerichtet. Von den US-Amerikanern wurden anfliegende Rettungshubschrauber teilweise zurückgeschickt. Andere Helikopter kamen zu spät. Die US-Amerikaner hatten die Schwerverletzten auf Pritschenfahrzeuge geladen und abtransportiert. Doch von den beiden erreichbaren Krankenhäusern war nur das US-Hospital ausreichend ausgerüstet.

Die Grünen-Fraktion teilte auf Nachfrage mit, sie werde in den nächsten Tagen eine mögliche Rücktrittsforderung an die Adresse des Inneministers diskutieren.

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