piwik no script img

Hungerstreik der RAF-Gefangenen

Bundesanwaltschaft bestätigt: 28 RAF-Häftlinge im Hungerstreik / Inhaftierte verlangen Zusammenlegung der „Gefangenen aus Guerilla und Widerstand“ / Neue Strategie für Streik in den nächsten Wochen angekündigt / Verwandtenbesuch von Justizbehörden verhindert  ■  Von Wolfgangt Gast

Berlin (taz) - Die inhaftierten Mitglieder der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) befinden sich seit gestern in den verschieden Haftanstalten in einem unbefristeten Hungerstreik. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft Prechtel bestätigte gestern, daß mindestens 28 der Gefangenen in den verschiedenen Knästen die Nahrungsaufnahme verweigern. Es soll sich nach seinen Worten aber nicht nur um Angehörige der RAF, sondern auch um Untersuchungshäftlinge und Mitglieder anderer militanter Gruppen handeln.

Prechtel bestätigte weiter, daß die Bundesanwaltschaft die Zellen der Gefangenen durchsuchen ließ. Dabei sei nach Unterlagen gesucht worden, die erklären sollen, wie es zur zeitgleichen Aktion und den weitgehend übereinstimmenden Erklärungen kommen konnte. Es sei aber auch nach Indizien gesucht worden, die auf eine Absprache mit Personen außerhalb der Haftanstalten hindeuten könnten.

Prechtel verwies in diesem Zusammenhang auf die Unterstützungsaktion während des letzten kollektiven Hungerstreiks im Jahre 1985. Er befürchtet, daß nun mit ähnlichen Aktionen zu rechnen ist. Daher sei in den Zellen auch nach konkreten Anschlagsplänen gesucht worden. Auf Betreiben der Bundesanwaltschaft sind gegen die Hungerstreikenden inzwischen auch Verfahren wegen „Mitgliedschaftlicher Betätigung in einer terroristischen Vereinigung“ eingeleitet worden.

In einer Erklärung des RAF-Angehörigen Helmut Pohl, die er im Namen der RAF-Inhaftierten unterzeichnete und den Behörden übergab, heißt es zu den Zielen des Hungerstreikes: „Jetzt lassen wir nicht mehr los, die Zusammenlegung muß jetzt erreicht werden“. Genau vier Jahre nach der Beendigung des letzten Hungerstreikes der RAF-Angehörigen am 1.2. 85 sind neben der Forderung der „Zusammenlegung aller Gefangenen aus Guerilla und Widerstand in ein oder zwei grosse Gruppen, in die neue Gefangene integriert werden, mit Zugang zu den Fortsetzung auf Seite 2

Kommentar Seite 4

Dokumentation Seite 9

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Gemeinschaftshöfen“ auch die Freilassung der haftunfähigen Gefangenen Günter Sonnenberg, Claudia Wannersdorfer, Bernd Rößner und Angelika Goders in den Forderungskatalog aufgenonmmen. Eine freie medizinische Versorgung ohne Staatsschutzkontrolle und die freie politische Kommunikation mit allen gesellschaftlichen Gruppen soll ebenso erreicht werden wie die „Zusammenlegung aller Gefangenen, die dafür kämpfen“.

Nach der Erklärung von Pohl sind die Gefangen entschlossen, den Streik durchzuhalten: „Es gibt eine Grenze, an der der permanente Kampf der einzelnen und die ständig weit reduzierte Lebensweise als Gefangene politische Gruppe für uns nicht mehr gehen“. Das Ziel der Isolation sei von Anfang gewesen, die „Gefangenen zu zerstören, um die Politik der RAF zu ersticken“. Damit wären „sie“ zwar gescheitert, „aber wir ertragen es so auch nicht mehr“.

Anders als in den neun bisherigen

Hungerstreiks der RAF während der vergangen 18 Jahre haben die Inhaftierten jetzt eine neue Strategie angekündigt. Angelehnt an einen Hungerstreik der Nordirischen IRA soll der Hungerstreik in den ersten beiden Wochen kollektiv verfolgt werden. Fortgesetzt wird er dann von zwei der Streikenden, und alle vierzehn Tage sollen wiederum zwei weitere den Hungerstreik wieder aufnehmen.

Martha Barabass, Mutter des Inhaftierten RAF-Mitglieds Ingrid Barabass, ist gestern von den Justizbehörden ein genehmigter Besuch verweigert worden. Offensichtlich als Reaktion auf den Hungerstreik erklärten die Justizbeamten der Mutter, die auch Mitglied der „Anghörigen der politischen Gefangenen“ ist, die Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) - zuständig für die Besuchsüberwachung - stünden nicht zur Verfügung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen