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ARD-Werbung auch am Abend?

■ Mittagslücke soll geschlossen werden / Werbung auch nach 20 Uhr gefordert

Frankfurt (taz) - Die ARD, ein rostiger, unbeweglicher Tanker im Gegensatz zu den agilen Fernsehsendern, die wie kleine, wendige Schnellboote auf die Veränderungen des Marktes reagieren? Diesen Vergleich wollte Hartwig Kelm, Intendant des Hessischen Rundfunks und seit Anfang dieses Jahres auch ARD-Vorsitzender, nicht gelten lassen. Und für völlig unpassend hielt er gar das von manchen Kritikern benutzte Bild des behäbigen Dinosauriers - „wegen des ungünstigen Größenverhältnisses von Kopf und Körper“. Auf einer Pressekonferenz in Frankfurt gab sich Kelm selbstbewußt. Die ARD, so meinte er, sei „der größte und produktivste Rundfunkverbund der westlichen Welt“. Die Nachbarländer könnten sich mit deren Attraktivität und Vielfalt des Programms nicht messen.

Im Konkurrenzkampf mit den Privatsendern geht es allerdings nicht um Programmqualität, sondern um Marktanteile. Und die berechnen sich aus der „Sehdauer“. Daß bei den Öffentlich -Rechtlichen zwischen 13.15 Uhr und 15 Uhr Sendepause herrscht, wirkt sich ungünstig auf diese Werte und damit auch auf die Werbeeinnahmen aus. Die sogenannte „Mittagslücke“ beschloß nun der Westdeutsche Runfunk, finanzstärkster Sender innerhalb der ARD, zu stopfen. Grundsätzlich begrüßte Kelm den Vorstoß, forderte aber: „Daran sollten sich alle neun Rundfunkanstalten beteiligen.“

Frühstück mit Prof.Brinkmann, Mittagessen bei den Drombuschs und Kaffeetrinken mit Dagmar Berghoff: Während die ARD im Zukleistern auch noch der letzten fernseh-losen Minuten - notgedrungen - den Privaten nacheifert, legt sie in puncto Finanzierung Wert darauf, es anders zu machen. Aber doch nicht so völlig anders, wie manche kommerziellen Sender das gern sehen würden. Diese nämlich fordern immer mal wieder, ARD und ZDF sollten auf Werbung verzichten und sich statt dessen nur mehr aus den Fernsehgebühren finanzieren. Der Sender Sat1 begründete kürzlich diese Forderung damit, daß die Öffentlich-Rechtlichen dadurch aus ihrem „Rating-Gefängnis“ befreit würden. Im Klartext: Sie bräuchten sich nicht mehr um Einschaltquoten zu kümmern ein Argument, das laut Kelm „zumindest scheinheilig“ ist.

Weil die Reichweiten der Privaten steigen, fürchten ARD und ZDF, daß sie ihre Preise pro Werbeminute senken müssen. TV -Spots beim NDR sind bereits billiger geworden - um 20 Prozent, wie es hieß. Verständlich also, daß sie die „20-Uhr -Werbegrenze“ in Frage stellen. Kelm hatte dafür neben der wirtschaftlichen eine pädagogische Begründung parat, sinngemäß: Wenn man es vermeiden wolle, die „nicht gerade förderliche“ Werbung Kindern vorzusetzen, dürfe man sie nicht ausgerechnet en bloc vor 20 Uhr ausstrahlen, wenn die Kleinen vor der Glotze sitzen.

Marion Scherpf

„Private“ kritisieren

ARD-Vorsitzenden

Mit Nachdruck zurückgewiesen haben die privaten Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik die Forderung des ARD-Vorsitzenden Kelm nach Fernsehwerbezeit nach 20 Uhr ab 1990 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Kabel und Satellit, Jürgen Doetz, der die Interessen der privaten Hörfunk- und Fernsehveranstalter vertritt, warf Kelm vor, nach der gerade beschlossenen Gebührenerhöhung für ARD und ZDF nach einem zusätzlichen „Finanzierungstopf“ zu schielen, der jedoch nach dem Willen aller Bundesländer ausschließlich den „Privaten“ zustünde. Wenn Kelm sich jetzt „leichtfertig und unsachlich“ über diesen Konsens hinwegsetze, seien die Bundesländer aufgerufen, den ARD-Vorsitzenden „in die Schranken der durch den Medienstaatsvertrag besiegelten dualen Rundfunkordnung energisch und unverzüglich zurückzuverweisen“, betonte Doetz.

Sat1 GmbH

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