„Republikaner“ nur hinten raus

Erste Großversammlung nach den Berliner Wahlen in Nürnberg mit dem Landesvorsitzenden Harald Neubauer / Auseinandersetzungen zwischen 2.000 DemonstrantInnen und der Polizei  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Zackig steht er auf, geht zum Rednerpult und plärrt: „Da draußen stehen sie, die rotlackierten Nazis!“ Das Bürschlein im schicken dunklen Anzug hinter dem Mikrophon ist Harald Neubauer, einstiger Generalsekretär der „Republikaner“ und jetzt bayerischer Landesvorsitzender und Bundespressesprecher der rechtsextremen Partei. Er läutet in der ersten öffentlichen Veranstaltung nach dem Wahlerfolg in Berlin den Europawahlkampf der „Republikaner“ ein. Mit etwa 400 Anhängern ist der Saal des Stadtparkrestaurants in Nürnberg überfüllt; für den Saalschutz sorgen Skinheads. Draußen stehen jenseits der Polizeiabsperrungen etwa 2.000 Demonstranten und skandieren „Nazis raus!“.

Bevor der 37jährige Neubauer, dessen Habitus den ehemaligen NPD-Funktionär erkennen läßt, zu seiner Rede anhebt, gibt es im Saal noch Diskussionen. Eine junge Türkin versucht argumentativ mit bereits angetrunkenen Parteianhängern zu diskutieren. „Schmeißt die doch raus“, fordert einer. „Ich mach‘ mir doch nicht die Finger schmutzig“, antwortet ihm ein zweiter. Andere sichern sich derweil einen guten Platz, um Neubauers Rede auf Cassette verewigen zu können.

Die 90minütige Rede des Landesvorsitzenden ist denkbar simpel. Zuerst kommt die Stärkung der eigenen Moral, das Baden im Hochgefühl nach dem Berliner Ergebnis endlich mal ernst genommen zu werden, dann die Essentials der Partei zu Europa. Dazwischen Versatzstücke aus alten Ansprachen des Parteivorsitzenden Schönhuber, um die Stimmung anzuheizen. „Wir sind eine starke Partei!“ schreit Neubauer in den Saal, „Sie sind die wirklich mündigen Bürger!“ lobt er die Anwesenden. Berlin war der „Durchbruch“, dort wären die Mitglieder „nicht dem Terror der Straße gewichen“. Neben Neubauer sitzen am Podium der kommissarische Vorsitzende der Nürnberger Parteigruppierungen und der mittelfränkische Vorzeige-Mandatsträger, Bezirkstagsmitglied Dieter Kallweit. Beide haben nichts zu melden. Nur Kallweit kann sich im Extraapplaus sonnen, als Neubauer ihn als vorbildich hinstellt. Kallweit habe die von ihm nicht mitgetragene Erhöhung der Aufwandsentschädigung der Bezirkstagsmitlieder nicht in die eigene Tasche gesteckt, sondern einem guten Zweck zur Verfügung gestellt. „Er spendet sie dem 'Weißen Ring‘, zur Hilfe für deutsche Verbrechensopfer“, verkündet Neubauer.

Während draußen der DGB zusammen mit SPD, Grünen und einer Vielzahl anderer Gruppierungen die Gegenkundgebung abhalten, hat Neubauer den „deutschen Arbeiter“ im Visier. „Unser politischer Appell richtet sich nicht an die Schickimicki -Gesellschaft, sondern an die anständigen fleißigen Menschen.“

Bei den Europawahlen werde die Partei „von Flensburg bis Freilassing“ kandidieren und für die „deutsche Reinheit im Maßkrug“, die „saubere Wurst ohne Chemie“ und das „saubere Kalbfleisch“ kämpfen. Es müsse Schluß gemacht werden damit, daß „Deutschland das Sozialamt der ganzen Welt“ sei, die Frage nach einem Austritt aus der EG müsse doch erlaubt sein. Die EG-Materie sagt den Parteianhängern weniger zu, sie wollen lieber deftige, kernige Sprüche hören, bei denen es auch etwas zum Lachen gibt.

Während im Saal deshalb die Stimmung abgeflaut ist, klirren draußen die Scheiben, fliegen Feuerwerkskörper und Flaschen. Polizisten veranstalten mit gezogenem Knüppel Hetzjagden auf Demonstranten. Ein Pressefotograf wird von einem Stein verletzt. Die Polizei beklagt vier verletzte Beamte. Ein Behelmter sei von einem Stein am Hinterkopf getroffen worden.

Vor dem Abschluß seines Auftritts in Nürnberg gibt Neubauer noch kund, was Ursache und Lösung der Probleme dieser Republik und unserer Zeit seien. Der „Mangel an Patriotismus“ ist an allem schuld: „Mehr Vaterlandsliebe“ und die Umwelt bleibt sauber, dem Mitmenschen wird im Sinne mehr sozialer Gerechtigkeit wieder geholfen, das Ende der „erbarmungslosen Ellenbogengesellschaft“ wäre damit zwangsläufig eingeläutet.

Das ist es, was die Anhänger hören wollen. Sie bereiten dem Landesvorsitzenden stehende Ovationen, als dieser auffordert, in Zukunft nur noch „für das deutsche Vaterland“ die Stimme abzugeben. Nachdem alle die dritte Strophe der Nationalhymne geschmettert haben, zieht es einige noch zum Redner hin. Sie gratulieren Neubauer, er habe ihnen „aus dem Herzen gesprochen“. Doch die Euphorie der Versammlungsteilnehmer verfliegt schnell, als sie von der Polizei durch den Hinterausgang an der Küche vorbei nach draußen gelotst werden. „Wie Diebe und Türken müssen wir uns rausschleichen“, beklagen sie sich und suchen sofort das Weite.