: Countdown in Kabul
■ Sowjets wollen Kabul bis zum 5. Februar verlassen / Mudschaheddin werden eigene Übergangsregierung bilden / Nadschibullah denkt nicht an Machtverzicht
Islamabad/Kabul (afp) - Angesichts des bevorstehenden Endes der sowjetischen Präsenz in Afghanistan verschärfen sich die Machtkämpfe zwischen den Kontrahenten. Während die von Pakistan unterstützten sunnitischen Rebellen für die nächsten Tage die Bildung einer Übergangsregierung ankündigten, machte das pro-kommunistische Regime in Kabul deutlich, daß es keineswegs zu einem Machtverzicht bereit ist. Jeder Versuch, die „Demokratische Volkspartei“ (DVPA) von einer künftigen Regierungsallianz auszuschließen, sei „kindisch“ und „vergeblich“, betonte Präsident Nadschibullah am Donnerstag auf einer zweistündigen Pressekonferenz in Kabul.
Schlechtes Wetter am 3.600 Meter hohen Salang-Paß und weitere Rebellenangriffe erschweren unterdessen den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Kabul, deren letzte Einheit am 5. Februar die sowjetische Grenze passieren soll. Im Kabuler Außenministerium verdeutlichte Präsident Nadschibullah den Anspruch seines Regimes auf eine Beteiligung an der politischen Macht auch nach dem weiterhin für den 15. Februar geplanten Abzug der Sowjets. Nadschibullah wirkte völlig entspannt, als er lächelnd versicherte, seine Regierung habe „trotz aller Schwierigkeiten“ die Situation in Kabul im Griff. Lebhaft widersprach er US-Berichten über einen drohenden Militärputsch oder über die baldige Einnahme Kabuls durch die islamischen Rebellen.
Derweil glaubt die im pakistanischen Peshawar ansässige Siebener-Allianz der sunnitischen Mudschaheddin mit der Bildung einer Übergangsregierung vollendete Tatsachen schaffen zu können. Wie sie am Mittwoch abend ankündigte, hat sie sich inzwischen auf die Zusammensetzung einer „Beratenden Versammlung“ („Schura“) geeinigt, die Mitte Februar die neue Regierung bestätigen soll. Der „Schura“ gehören 520 Mitglieder an, darunter 20 sogenannte „gute Moslems“ der pro-sowjetischen Afghanen aus der Administration, an deren „Händen kein Blut klebt“. Eine Beteiligung der kommunistischen Regierungspartei DVPA wird von Mudschaheddinseite bisher ausdrücklich ausgeschlossen.
Entgegen ersten Berichten wollen die wichtigsten Kommandanten der Mudschaheddin jedoch nicht an der „Schura“ teilnehmen. Mei Fortsetzung auf Seite 2
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nungsverschiedenheiten gab es auch zwischen den sunnitischen und den acht von Iran unterstützten schiitischen Gruppierungen über die Anzahl der schiitischen Vertreter in der Versammlung. Während die Schiiten 120 Sitze für sich beanspruchten, wollen ihnen die Sunniten entsprechend ihres Bevölkerungsanteils von acht Prozent nicht mehr als 60 Sitze zugestehen. Trotz zweier Gesprächsrunden mit den Mudschaheddin in Islamabad war es dem eigens angereisten iranischen Außenminister Ali Akbar Welajati bis gestern nicht gelungen, diese Differenzen beizulegen. Die von den Rebellen geplante Übergangsregierung wird sich nach Angaben aus
Islamabad aus 28 Mitgliedern zusammensetzen. Als Ministerpräsident im Gespräch sind neben dem Fundamentalisten Ahmed Schah - Chef der im letzten Frühjahr einseitig ausgerufenen fundamentalistischen „Interimsregierung“ - der Expremier unter König Sahir Schah, Mohammed Jussuf, sowie der gemäßigte derzeitige Vorsitzende der Siebener-Allianz, Sibghatullah Mudschaddedin.
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