Export von Degussa-Chemikalien gestoppt

Bremerhavener Zoll stoppte die Verladung von 255 Tonnen Hexamin der Degussa AG / Die Chemikalie ist für Libyen bestimmt und zur Herstellung von Düngemittel, Sprengstoff und Heringssalat geeignet  ■  Von Bornhöft und Wiedemann

Berlin/Bonn (taz) - Bremer Zollbehörden stoppten am 20.Januar die Verladung von 255 Tonnen der Chemikalie Hexamethylentetramin (kurz: Hexamin) von der Frankfurter Herstellerfirma Degussa. Ob das Zeug ins Bestimmungsland Libyen transportiert werden darf, will jetzt das Bundeswirtschaftsministerium entscheiden. Es verlangt von dem Konzern „eine genaue Spezifizierung des beabsichtigten Verwendungszweckes“, so ein Sprecher.

Hexamin gehört nämlich zu den sogenannten „Dual-use“ Produkten. Die Chemikalie kann als Vorprodukt für die Herstellung von Dünge- und Desinfektionsmitteln oder von Sprengstoff verwendet werden. Dem Bundeswirtschaftsministerium ist darüber hinaus bekannt, daß Hexamin auch für Heringssalat verwurstet wird, „aber soviel Heringssalat essen die da in Libyen nicht“, erläuterte der Sprecher des Ministeriums.

Aufmerksam geworden durch Berichte über die Affäre um den Bau der Chemiewaffen-Anlage im libyschen Rabta, untersagten die Zöllner in Bremerhaven - vermutlich nach Rücksprache mit dem Zollkriminalinstitut in Köln - die Verladung der 17 Container. Der Zoll verlangte eine „Negativbescheinigung“, die die Unbedenklichkeit der Ausfuhr bestätigt. Diese Bescheinigung hat Degussa jetzt beantragt. Ein übliches Verfahren, das auch in anderen Zweifelsfällen angewandt wird, wenn das Bundesamt für Wirtschaft keine ausdrückliche Ausfuhrgenehmigung erteilen muß. Insofern hat Degussa dieses Mal offenbar korrekt gehandelt und keine Behörden umgangen wie im Fall des Exports von Beryllium amerikanischer Herkunft für das indische Atombombenprogramm (siehe taz vom 3.2.89)

Gelassen reagierte Degussa-Sprecher Hans-Joachim Nimtz auf den vorläufigen Lieferstopp. „Anstandslos und völlig legal liefern wir diese Chemikalie seit 1983 an eine libysche Düngemittelfabrik“, so Nimtz zur taz. Der Konzern wisse, daß im Bestimmungshafen Marsa el Braga die Düngemittelfabrik „National Petroleum“ stehe. Der Ort liege 1.000 km von Rabta entfernt. „Sie können mir um Gottes Willen glauben“, so Nimtz weiter, „wir haben nichts mit Rabta zu tun. Mit Hexamethylentetramin kann man keine chemischen Kampfstoffe herstellen.“ Verwundert zeigte sich der Konzernsprecher über das Verlangen des Wirtschaftsministeriums, den Verwendungszweck von Hexamin zu erfahren. „Unsere offizielle Produktliste, auf der ein gutes Dutzend Verwendungszwecke stehen, müßte dort längst vorliegen. Wir warten ab, was passiert“, sagte Nimtz.

Merkwürdig indes auch, daß das Bonner Finanzministerium gestern morgen umgehend der Bremer Oberfinanzdirektion den Mund verschloss und die Informationspolitik an sich zog. Ebenso sah sich das zuständige Bundesamt für Wirtschaft außerstande, irgendeine Information über den Vorgang geschweige die Chemikalie Hexamin zu geben.

Unterdessen riskierte Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann nach Gesprächen mit den US-Außen- und Finanzministern in Washington eine große Lippe: „Ich muß die Bundesrepublik und ihre Industrie davor in Schutz nehmen, als würde sie in Alleingängen zum Wettrüsten in der Welt beitragen.“ Es sei „absurd“ zu glauben, in der exportintensiven Bundesrepublik „könnte jeder einzelne Ausfuhrvorgang kontrolliert werden.“ Den USA gehe es nicht um „Vergangenheitsbewältigung“, sondern darum, „daß sich künftig solche illegalen Exporte nicht wiederholen“. Die US -Regierung sehe, daß Bonn „die akute Situation sehr ernst nimmt“.