piwik no script img

Antifaschisten fanden Nazis nicht

■ Zwei Polizeikessel in Rotenburg: In einem 400 autonome Antifas, im anderen 200 FAP-Anhänger FAP-Aufmarsch kurzfristig in den Stadtrand umgeleitet / Gerangel nur mit der Polizei

Kurz nach 13 Uhr am Samstag in der Rotenburger Innenstadt: Auf einer Kreuzung stehen etwa 400, meist Schwarzbekleidete, einige mit Helm, Haube oder Karnevalsmaske, skandieren „Nazis raus“ und „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“. Von letzteren ist allerdings weit und breit nichts zu sehen, obwohl der Aufmarsch der FAP bereits vor einer Stunde beginnen sollte. Deutsche Polizisten dagegen gibt es zuhauf. Etwa 300 von ihnen schließen die Autonomen ein.

Ein paar Seitenstraßen weiter, etwa 200 Meter entfernt, marschiert ein weiterer Polizeipulk. Nur der Observationswagen vorneweg deutet darauf hin, daß inmitten der Polizisten noch andere gehen: In 48 Vierer-Reihen zieht der Aufmarsch der FAP durch den Hirtenweg. Die meisten FAPler sind Anfang 20, Knobelbecher, Glatzen, auf der Lederjacke häufig „Hass“, das Doppel-S als SS-Rune gemalt. In der Mitte des Wanderkessels ein Ford, darin ein 50jähriger Mann, der ab und an etwas von „Raus aus der EG“, und „Abbau des Ausländerkontingents“ in sein Mi

krophon ruft.

Die FAPler sind offensichtlich ängstlich, verunsichert. „Da hinten kommen Anarchoschweine“ meint einer. Als der Sechser -Trupp näherkommt, stellt sich heraus, daß es junge Neonazis aus Verden sind: „Reiht Euch ein.“ Auch der Polizist mit Sprechfunk gibt Entwarnung durch: „Das sind nur sechs Hanseln von denen.“

Vorbei an einer stillgelegten

Zementfabrik zieht der stumme, gut behütete Zug. Parolen werden nicht gerufen. Einer, mit Lodenmantel und Hilerbärtchen, Augen starr nach vorne gerichtet, schwenkt eine Fahne mit verfremdetem Hakenkreuz. Nach einer knappen Stunde hat der Zug das stillgelegte Fabrikgelände an der Ausfallstraße Richtung Hamburg erreicht, wo vier Busse warten. „Wir setzen die Veranstaltung in Form einer Heimfahrt

fort“, gibt der Mann im Auto das Zeichen zum Aufbruch.

In der Innenstadt haben sich die autonomen Antifaschisten inzwischen in Ermangelung einer Auseinandersetzung mit den FAPlern eine Rangelei mit der Polizei geliefert. Ein paar Steine fliegen, ein Bank-Fenster geht zu Bruch, ein Polizeiwagen wird umgekippt. Eine halbe Stunde, nachdem die FAP-Busse die Stadt verlassen haben, löst sich auch die Gegendemonstration auf.

Die Rotenburger selbst stehen in Grüppchen in der Fußgängerzone herum und diskutieren, wer denn nun „gewonnen“ hat. Wer verloren hat, das zumindest ist sicher. Das Rote Kreuz, das an diesem Tage mit dem Verkauf einer 500 Meter langen Pinkel-Wurst ins Guiness-Buch der Rekorde kommen wollte. Der Absatz stagniert. Am Samstag gehörte die Straße den AntifaschistInnen.

Über 2.000 von ihnen waren morgens um 10 Uhr zur Kundgebung in die Innenstadt gekommen. Unter dem Motto: „Leben und Lieben, dem Haß keine Chance“ hatten Redner aller Parteien gegen den FAP-Aufmarsch protestiert. „Die wollen wir nicht hier und nicht anderswo“ hatte Rotenburgs Bürgermeister Bodo Renke ausgerufen. Vielleicht wird der Bürgermeister beim nächsten Mal auch von den Vewaltungsrichtern in Stade gehört. Die hatten das Demonstrations

verbot der Stadt mit der Begründung abgelehnt, die FAP sei eine zugelassene Partei, und Gewalt ginge von den Gegendemonstranten aus.

hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen