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Justizpalast statt Hütten?

■ Amtsgericht verhandelt heute über den Abriß von 54 Wohnungen für die Erweiterung des Moabiter Gerichts, obwohl sich die Richterin selbst für befangen erklärt hat

Ganz sicher war sich SPD-Justiz-Schattensenator Wolfgang Schomburg gestern noch nicht, was er als Senator alles anders machen wird in Sachen Erweiterung des Kriminalgerichts in Moabit. „Kein erhaltenswerter Wohnraum darf abgerissen werden“, formulierte er auf Anfrage vorsichtig, höchstens ein „ganz, ganz kleiner Flügel“ müsse weg. Dann besann sich der Justizexperte seiner wohnungspolitischen Verantwortung und erklärte fest: „Kein Wohnraum darf abgerissen werden.“ Vielleicht nimmt ihm nun das Amtsgericht Tiergarten die drohende Last der Verantwortung ab.

Heute verhandelt das Gericht über die Feststellungsklage eines Bewohners des Gebäudes Alt-Moabit 20, das nach CDU -Justizsenator Rehlingers Plänen 1990 einem Erweiterungsbau für das Kriminalgericht Moabit zum Opfer fallen soll. Genauso ergehen soll es den Häusern Alt-Moabit 21/22 und Wilsnacker Straße 1/2. 54 billige Altbauwohnungen sind bedroht.

Der klagende Mieter vermißt das „öffentliche Interesse“, ausgerechnet an dieser Stelle den Justizpalast zu erweitern. Für den Standort habe der Justizsenator die „kurzen Wege“ für Akten, Richter und Staatsanwälte als Argument angeführt, bemängelt Anwalt Schomann. Die Richter selbst sind geteilter Meinung. Die Richterin, die heute den Prozeß führen wird, hatte den Fall zunächst nicht übernehmen wollen und sich Befangenheit attestiert. Sie sei selbst gegen den Neubau, in den Teile des Amtsgerichtes umziehen sollen, hat Anwalt Schomann gehört. Das Landgericht erklärte die Richterin trotz ihrer Bedenken für unbefangen.

Zusammen mit der Bewohnerinitiative „Wohnen statt Justizfestung“ kann die Richterin jetzt Hoffnungen auf SPD -Chef Momper setzen. Er forderte den Justizsenator brieflich auf, keine Entscheidungen über den Erweiterungsbau zu treffen. „Da wird im Moment nichts weiter unternommen“, versicherte Rehlingers Sprecher Christoffel. Die Mieter, denen zum Ende letzten Jahres gekündigt wurde, müßten vorerst keine Räumungsklage befürchten, obwohl sie nicht ausgezogen sind. Glaubt man Christoffel, dann hat das „nichts mit dem Wahlausgang zu tun“.

Das Kriminalgericht bedarf auch für den SPD-Experten Schomburg „einer gewissen Ausweitung“. Schomburg braucht Platz, um die organisierte und die umweltverschmutzende Kriminalität härter zu verfolgen. Er glaubt aber, Alternativstandorte finden zu können. Hoffentlich schafft er es. „Herr Walter Momper hat ja bei uns unterschrieben“, erinnert sich Mieterin Roswitha Dahme. Sogar zweimal soll er seinen Walter auf die Anti-Abriß-Listen gesetzt haben.

hmt

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