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Ein Spielplatz für die Reichen

Stockholms neue Riesenhalle, die Globe-Arena: der größte Bonzentreffpunkt Schwedens  ■  Aus Stockholm H. Neuwirth

Die Eishockey-Weltmeisterschaft im April ist schon jetzt eine runde Sache. Das Turnier um Puck und Titelehren wird im größten sphärischen Bauwerk der Welt angepfiffen: in der 86 Meter hohen, kugelrunden „Globe-Arena“ in Stockholm. Über 200 Millionen Mark haben sich die schwedischen Hauptstädter diesen Neubau kosten lassen und das Stadion mit 110 Metern Durchmesser erfüllt - sportliche Dimensionen, die in Europa einzigartig sind. 13.000 Zuschauern bietet der Riesenschneeball Platz und von Eishockey über Leichtathletik bis hin zur Oper ist in der Globe-Arena so gut wie alles möglich.

Eigentlich ein Grund zum Feiern für die Stockholmer, die bisher blaß vor Neid zusehen mußten, wie Großveranstaltungen im Göteborger „Skandinavium“ landeten. Doch das gigantische „Sport und Kulturzentrum Nordeuropas“ hat einen Haken: Die Stadt übertrug die Organisation einem Konsortium von Baufirmen - und die drohen den Globe zum beliebtesten Bonzenspielplatz Schwedens zu machen.

Als der Internationale Eishokkeyverband den Stockholmern die Austragung der WM 1989 zusprach, war klar: eine neue Arena muß her. Nicht einmal genug Umkleideräume hatte das alte „Isstadion“ aufzuweisen. Es war altersschwach geworden

-zumindest, was sportliche Großveranstaltungen betraf. Und der „Kleines-Land-Komplex“ der Schweden gebot ein hypermodernes Monument, am besten ein Stadion, das mit einem Superlativ versehen werden konnte! Die jahrelang gedemütigten Stockholmer nutzten die Gunst der Stunde und planten das größte sphärische Bauwerk der Welt, mit dem sie endlich in den Mittelpunkt Skandinaviens rücken wollten. Rund sechs Kilometer vom Stadtkern entfernt errichtete man ein stählernes Gerüst mit Plattenverschalung, dem es sogar gelang, die königliche Krone als Symbol Stockholms abzulösen.

Die Stockholmer blickten stolz von außen auf ihre Globe -Arena - oft zu intensiv. Die Unfallrate in der Umgebung des Schneeballs stieg in den letzten Monaten kräftig an. Aber auch über das Innenleben der Arena weiß die Bevölkerung aus unzähligen Zeitungsberichten Bescheid: Bis zum „Äquator“ reichen die Zuschauerränge, an der Decke garantieren vier Videoleinwände gute Sicht, das Innere der Halle kann innerhalb einiger Stunden vom Eishockeyfeld zum Leichtathletikstadion umgebaut werden, und Rockkonzerte sind hier keine Problem.

Schwierigkeiten bereitete der Stadt Stockholm dagegen die Frage, wie man das Riesenprojekt finanzieren sollte. Aber die geniale Lösung ließ nicht lange auf sich warten: die beteiligten Baufirmen bezahlen das Stadion und erhalten im Gegenzug ein rund achtzehn Hektar großes Gelände um die Arena herum. Dort errichten die Bauriesen nun einen eigenen Stadtteil mit Bürokomplexen, Hotels, Konferenzsälen, Geschäftsetagen und Bankgebäuden. Durch saftige Mietpreise in dieser exklusiven Lage wollen sie die Ausgaben wieder hereinholen.

Logen für das Arbeitsamt

Auch die Verwaltung und Vermietung der Globe-Arena liegt in den Händen der Baufirmen. Selbstverständlich muß man den Geschäftspartnern etwas bieten. Den Multis zum Beispiel 40 Firmenlogen mit Platz für bis zu zwanzig Auserwählte. Miete pro Jahr und Loge: Über 100.000 Mark. Unter den Mietern befinden sich peinlicherweise auch Vertreter des Stockholmer Arbeitsamtes. Außerdem sorgen 1.500 VIP-Plätze dafür, daß die Firmen in der Globe-Stadt allzeit originelle Geschenke zur Hand haben - zu Repräsentationszwecken. Die Zahl dieser Stühle, auf die Normalsterbliche nie ihren Allerwertesten setzen können, dürfte in den nächsten Jahren weiter steigen. Denn die Globe-City ist noch im Bau, es werden immer mehr finanzkräftige Firmen zu diesem Zentrum gezogen - und die wollen natürlich auch ihre Tickets für die Attraktionen im Globe.

Fußvolk bleibt draußen

Schlechte Karten also für das gewöhnliche Fußvolk, in diesem Sandkasten der Oberklasse mitzumischen. Die Steuerzahler haben zwar direkt rund neun Millionen Mark für die Kugel hingeblättert, und auch der billige Kredit der Stadt Stockholm an die Baufirmen - rund 100 Millionen Mark - muß ja irgendwie finanziert werden. Doch schon beim Kampf um die Eintrittskarten für das erste Sportereignis im Globe am 21. Februar wurde klar, wer in der Warteschlange steht: Beim Eishockeyspiel AIK Stockholm gegen Djurgarden blieben nach der internen Schieberei noch ganze 700 Billets für die Fans übrig. Und auch Karten für die Eishockey-WM im April werden mittlerweile schon auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Bleibt abzuwarten, wie viele echte Eishockey-Fans live miterleben dürfen, ob das schwedische „Drei-Kronen-Team“ seinen Weltmeistertitel im „600-Millionen-Kronen-Bau“ verteidigen kann.

Die Organisatoren schieben den Mangel an frei verkäuflichen Karten auf Anfangsprobleme, die auf den Beginn der Globe-Ära begrenzt seien. Trotzdem sind die Leute auf der Straße sauer. Erst jetzt ging ihnen ein Licht auf: Die Globe-Arena holt sportliche und kulturelle Schlager in die schwedische Hauptstadt - aber vor allem, um die Vertreter des Großkapitals zu unterhalten. Und das wird sich nicht ändern, solange das Kriterium für die Hallenbelegung auf ein Wort begrenzt ist: nicht „Sport“, sondern „Geld“.

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