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Umweltschutz am Aschermittwoch

■ Frisch entmachtete Senatorin Lemke-Schulte präsentierte rasante Fortschritts- und Erfolgsbilanz / Völlig umsonst: Ein buntes Plakat und ein rot-grüner Stadtplan

Rosige Aussichten für den „stattlichen Kamm-Molch“, die „lebendgebärende Waldeidechse“, das „breitblättrige Knabenkraut“ oder auch den Bremer „Blauhechelbläuling“, jedenfalls soweit diese selten gewordenen Vertreter unserer heimischen Flora und Fauna sich innerhalb unserer Landesgrenzen und dortselbst nach Möglichkeit in der Rekumer Geest bei Bremen-Nord bewegen. Dem unermüdlichen Einsatz von Umweltsenatorin Evi Lemke danken diese selten gewordenen Vertreter unserer heimischen Flora und Fauna den Schutz ihres Lebensraumes. 12,9 Hektar konnte die Umweltsenatorin dort im letzten Jahr dauerhaft dem Zugriff von Baulöwen und kommu

nalen Wohnungsbaugesell schaften entziehen und und unter Naturschutz stellen.

Im Dezember wurde der Sieg des Bündnisses von seltenen Tieren und Bremer Senat erstmals gebührend vor der Presse gefeiert. Gestern nun konnte Evi Lemke-Schulte der Presse überdies einen DIN A3-Bogen vorstellen: Weil sich auch dem Blick des aufmerksamen und naturkundigen Spaziergänger die Kleinodien der heimischen Insekten-und Amphibienwelt nur allzu gern entziehen, hatte sich der persönliche Referent der Senatorin höchstselbst wochenlang mit Kamera und Belichtungsmesser in Bremens Feucht-und Moorlanschaften gelegt, um Birkenzipfelfalter und Fadenmolch, Lungenenzian und Zauneidechse aufzulauern.

Seit gestern sind die Ergebnisse der liebevoll -makrofotografischen Referenten-Sorge ums hiesige Kleingetier dankenswerter Weise auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich: Ein farbenprächtiges Plakat, das in keinem Guckkasten einer Bremer Gesamtschule fehlen sollte, zeugt von der überraschenden Vielfalt reptiler Kostbarkeiten bremenzulande und wird SelbstabholerInnen von der Behörde der Umweltsenatorin gerne und kostenlos zur

Verfügung gestellt.

Wer schon einmal da ist, sollte auch einen zweiten Beleg für die ökologische Erfolgsbilanz der Senatorin nicht achtlos liegenlasen: Nicht ganz so bunt, aber ähnlich lehrreich ist ein Bremer Stadtplan, den die Senatorin durch ihre Mitarbeiter sorgfältig mit roten und grünen Flecken bemalen ließ - laut Karten-Legende unschwer als Naturschutzgebiete (rot) und Landschaftsschutzgebiete (grün) zu identifizieren. Der Plan ist weitgehend identisch mit einem Faltblatt, das die Behörde bereits 1985 veröffentlichte. Allerdings: Einige Flecken, die seinerzeit noch grün angemalt waren, haben in der Neuauflage die Komplementärfarbe angenommen.

Sie dokumentieren, nein, nicht die veränderten politischen Mehrheitsverhältnisse in der ortsansässigen Bevölkerung, sondern „die rasanten Fortschritte bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten“ (Lemke-Schulte). So sind die Borgfelder Wümmewiesen inzwischen vom Landschaftsschutzgebiet zum Naturschutzgebiet aufgerückt und verbessern die naturgeschützte Bremer Flächenbilanz um sage und schreibe 700 auf heute insgesamt 1.071,52 Hek

tar. Rund jeder 40. Quadratmeter Bremens steht heute unter Naturschutz und katapultiert die Senatorin an den zweiten Platz in der ewigen UmweltministerInnen-Bestenliste. Und: Bremens Stadtplan soll roter werden, wie die frisch entmachtete Senatorin gestern den zahlreichen JournalistInnen verriet.

Direkt vor der Präsentation bunten Papiers in ihren Amtsstuben hatte die Senatorin im Rathaus dem frischgebackenen und - amtseingeführten Bausenator Konrad Kunick ihre kommunalen Kompetenzen für den Bremer Hoch-, Tief-und Straßenbau abgetreten. Lemke-Schulte trug das sang -und klanglose Ende des Experiments, Bio und Beton in einem Politikerkopf, nämlich ihrem, miteinander zu versöhnen, mit staatsfraulicher Würde („ein wenig schmerzt es doch“).

Nachdem die Hollerland-Bebauung durch die Gewoba wohl nicht mehr zu verhindern ist und der Concordia-Tunnel anscheinend sein muß, warten jetzt neue Aufgaben auf die Senatorin, z.B. am Dungesee oder in der „Uni-Wildnis“, wo Moorbärlapp und Maiszünsler noch völlig ungschützt einfach so vor sich hinwachsen.

K.S.

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