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„Früher waren sie motziger“

■ Zum 5.Schülerfilmfestival in Hannover

Was im Fernsehen läuft, nervt mich ab.“ Das war für die 21jährige Dietlind Schnaithmann Grund genug, es selbst als Regisseurin zu versuchen. Beim 5. Bundesweiten Schülerfilmfestival in Hannover präsentierte die Abiturientin ihre Filme: Produktionen, die im wesentlichen das verhandeln, womit sich Schüler heutzutage beschäftigen. Die Schauspielerin in Dietlind Schnaithmanns Film steht vor den Trümmern ihres Zuhauses. Noch nie hat sich ihr zukünftiger Stiefvater um ein Gespräch mit ihr bemüht. Ihre Mutter hat sich im Streit zwischen ihrem Liebhaber und ihrer Tochter entschieden: sie beginnt, für ihren Freund zu leben. Die authentische Erzählung, zu der die Freundin der jungen Filmemacherin mit ihrer eigenen Lebensgeschichte den Stoff lieferte, endet trostlos.

Von den - auch visuell dargestellten - Beziehungstrümmern noch benommen, macht sich das Mädchen mit ihrem kleinen Bruder an der Hand auf die Suche nach einem neuen Zuhause. Die Mutter stellt sich ihnen in den Weg. Im Lebkuchenhaus, in das sie ihre Kinder als Hexe verkleidet lockt, erkennt die Tochter: die Beziehung zu ihrer Mutter ist unwiderruflich zerstört.

„Ich kann nur filmen, was mich beschäftigt“, bemerkt die hannoversche Schülerfilmerin zu ihrer modernen Fassung der Hänsel-und-Gretel-Geschichte. „Und das sind in erster Linie persönliche Dinge.“

„Träumerisches, Intimes“, nennt Festivalorganisator Burkard Inhülsen diese Kategorie, zu der er auch den Schnaithmann -Film zählt. Die zweite Sparte, der relativ viele Wettbewerbsteilnehmer angehören, nennt Inhülsen leicht mißverständlich „Heimat-Filme“.

„Heimat - was ist das?“ fragen sich beispielsweise drei 16jährige Schüler, deren Eltern ursprünglich aus Italien, Spanien und der Türkei kommen. Und drei 18jährige filmen, wie Rainer im Verkehrsgewühl, in der kommunikationslosen Öde seines Elternhauses sich auf die Suche nach Ideen für seinen Hausaufsatz „Heimat“ macht. Als ihm nichts einfällt, flieht er an einen einsamen Waldsee, faltet die immer noch unbeschriebenen Blätter zusammen und schickt sie über das Wasser...

„Früher waren die Beiträge 'motziger'“, zieht der Leiter des bundesweiten Schüler-Film- und Video-Zentrums, von dem das Festival ausgerichtet wird, nach über 50 Stunden Film Bilanz. „Die Schüler sind heute eben angepaßter.“

Um so dankbarer nahm die aus Filmkritikern und -machern sowie aus Jugendlichen bestehende Festival-Jury die wilden Seitenhiebe auf Schule, Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst und anderes mehr auf. Die mit 2.500 Mark am höchsten dotierte Leinwandproduktion des Hamburger Patrick Burow etwa begeisterte die Zuschauer. „Mehr Probleme gingen wirklich nicht in 30 Minuten“, urteilt der Schülerfilmer selbstkritisch über seine Vision vom Erwachsenwerden. Doch, so der 22jährige, „irgendwie hat sich das Phänomen der Satire heimlich eingeschlichen.“ Das ist nicht zu überhören: als der Vorsitzende des Kriegsdienstverweigerungsausschusses den Gewissensprüfling auf „Führer, Volk und Vaterland“ vereidigen will, guckt er selbst ganz irritiert: „Oder wie hieß das noch?“ Und der just zivildienstleistende Hauptdarsteller sinniert über „Gemeinwesen-Arbeit“ als „die Arbeit des gemeinen Wesens“.

Last Exit, wie dieser Streifen heißt, dokumentiert mit seinen gekonnt gemachten Segelflugszenen, dem täuschend echt dargestellten Motorrad-Crash den Trend zum technisch ausgereiften Produkt beim Schülerfilm. Auf der Strecke bleiben dabei allerdings die Experimente mit Ton, Kamera und Inhalten. Hier war Dietlind Schnaithmann - einzige Frau im Wettbewerb - die Ausnahme.

Franz Fender

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