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Raus aus der lila Kuschelecke

■ Wie der Frauenförderung in der Wissenschaft auf Sprünge helfen? Über lila Listen und Sondertöpfe? Die Berliner Wissenschaftlerinnen Barbara Schaeffer-Hegel und Helga Foster halten dies für die falsche Strategie / Wir dokumentieren als ersten Teil einer Debatte ihr „Plädoyer für eine integrative Wissenschaftspolitik“

Dortmund - München - Berlin - und demnächst Bonn: Die Tagungen zum Krisenthema Frauenforschung reißen nicht ab. So wurde in Berlin im Dezember gleich zwei Tage lang über „Chancen und Möglichkeiten bundesweiter Fördermodelle“ debattiert (die taz berichtete). Die Hochschulen sind in der Tat „der langsamste und schwerfälligste Bereich für Frauenförderung überhaupt“, wie die Frauenbeauftragte des Berliner Senats, Carola von Braun, in ihrem Eingangsreferat konstatiert hatte. Angesichts dieser Sachlage, angesichts der zunehmenden Konkurrenz - auch unter Frauen - um die knapper werdenden Mittel, und angesichts der damit verbundenen katastrophalen beruflichen Situation einer ganzen Generation gut qualifizierter Wissenschaftlerinnen, sollte weder Geld noch Zeit durch zweitägiges Rumrätseln, was denn nun sein soll, verschwendet werden. Unsere Überlegungen greifen daher einige der uns auf der Berliner Tagung deutlich gewordenen und für Frauen nicht ganz untypischen „Bumerang-Strategien“ auf, um aus der Kritik heraus offensive Gegenvorstellungen zu entwickeln und zu begründen.

Zunächst zur Selbstdarstellung der Frauenforscherinnen: Die Eröffnungsrunde über Errungenschaften der Frauenforschung als Negativbilanz zu gestalten war unseren Eerachtens ein strategischer Fehlgriff. Als ob die Frauenforschung - obwohl finanziell und institutionell noch immer im „Aus“ - nicht beachtliche wissenschaftliche und auch politische Wirkungen gezeigt hätte, die sich sehen lassen können. Warum in aller Welt stellen Frauen dann die von ihnen in den letzten Jahren erbrachten Leistungen gerade bei einer so hochpolitischen Veranstaltung kommentarlos unter den Scheffel? Welchen Gewinn ziehen Frauen - wir selbst wollen uns da nicht ausnehmen - immer wieder aus der Selbststilisierung als Opfer, anstatt selbstbewußt nach besseren Wegen und überzeugenderen Argumenten zu suchen? Die unterschwellige Erwartung, daß uns schon jemand aus der Patsche helfen wird, wenn wir nur oft und laut genug über die uns zukommende, schlechte Behandlung klagen, ist nicht nur politisch ineffektiv, sondern schlägt auf uns Frauen selbst zurück. Keine Buh-Männer aufbauen

Ein Beispiel dafür ist, wie die Ablehnung des Antrags durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) auf der Berliner Tagung „verarbeitet“ wurde: Sie - die DFG - habe mit dieser abschlägigen Entscheidung bewiesen, daß sie frauenfeindlich sei; die Tatsache, daß die zuständige Referentin der Einladung nach Berlin nicht gefolgt ist, wurde als Beweis für fehlendes Interesse an Frauenforschung seitens der DFG zitiert. Klüger wäre es gewesen, die Fehler, die bei der Antragstellung unterlaufen sind und die zum Scheitern des Projektes zumindest mit beigetragen haben, im Hinblick auf effektivere Strategien zu reflektieren. Die schlichte Tatsache, daß Personen in der Position der DFG-Referentin eine sehr langfristige Arbeitsplanung haben und nicht so großzügig mit Terminen umgehen können, ist in diesem Fall die korrekte und vor allem weit weniger selbstquälerische Erklärung für das Fernbleiben der Geladenen. Wir wollen nicht behaupten, daß die DFG und andere etablierte Forschungseinrichtungen Frauenforschung und feministische Wissenschaftsförderung als ihr liebstes Kind betrachten. Die DFG zum Buh-Mann zu stilisieren, was potentielle Antragstellerinnen entmutigt und uns nicht gerade Sympathie einträgt, ist jedoch in hohem Maße unklug. Im letzten Jahr sind allein in Berlin mehrere Anträge von Frauen und auch solche mit feministischer Perspektive bewilligt worden. Aufforderungen seitens der DFG an Wissenschaftlerinnen, mehr Anträge zu stellen, wurden mehrfach artikuliert. Frauen haben hier ihre Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft und junge Wissenschaftlerinnen sollten motiviert werden, Anträge zu stellen, bzw. sich promovierte Sponsorinnen dafür zu suchen. Solange nicht die Rahmenbedingungen, denen auch die DFG verpflichtet ist, auf höherer Ebene geändert sind, sollten sich Frauen darin üben, die Unterwanderungsstiefelchen mit immer mehr Geschick zu gebrauchen.

Ein anderer Lerneffekt, den wir aus der Veranstaltung im Ernst-Reuter-Haus gezogen haben: Große Tagungen, wie die vom 15. und 16.Dezember in Berlin, sind zur Strategieplanung ungeeignet. Größere Beiträge vorab in ein juristisches Gutachten über eine „Stiftung Frauenforschung“ zu investieren, mit dem unklaren Ergebnis, ob eine solche Stiftung überhaupt gewollt sein kann, sollte sich niemand mehr leisten. Willensbildung und Strategieentwicklung sollten mehr oder weniger abgeschlossen sein, wenn eine Tagung, wie die in Berlin, als Teil der politischen Durchsetzungsstrategie angesetzt wird. In diesem Sinne verstehen wir unsere folgenden Überlegungen als Vorarbeiten für die nächste Runde: konkret als Anregung für die Debatten, die vom 16. bis 18. Februar an der Universität Bonn über die Zukunft von „Frauenforschung und Kunst von Frauen“ geführt werden sollen. Keine Sondertöpfe

Seit den Warnrufen Georg Pichts in den sechziger Jahren vor der Bildungskatastrophe, die sich - bei näherer Betrachtung als eklatanter Bildungsnotstand beim weiblichen Bevölkerungsteil stellte - haben sich die Frauen zwar inzwischen alle verfügbaren Bildungsabschlüsse angeeignet, nicht aber den Zugang für eine entsprechende Berufstätigkeit.

Heute liegen die Barrieren für Frauen, trotz ihrer guten Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse, auf der Ebene der Berufseinmündung in den existierenden Forschungs- und Wissenschaftsbetrieb. Ohne Frage ist dies als Benachteiligung und Diskriminierung zu werten, stellt jedoch keineswegs einen Aspekt weiblicher Schutzbedürftigkeit dar und gibt keinen Anlaß für Sonderzuteilungen. Leider haben Frauen häufig den ihnen aufgezwungenen Sonderstatus soweit internalisiert, daß sie zu vergessen scheinen, was sie in Wahrheit sind: die Hälfte der Gesellschaft.

Wie sonst soll man erklären, daß Wissenschaftlerinnen in zunehmendem Maße nach eigenen Universitäten, nach eigenen Lila-Listen, Mitteln und Gremien - also nach neuen und exklusiven Sondertöpfen für ihre Forschung rufen? Zwar ist es richtig, daß wir Frauen bisher an das große Geld nicht herangekommen sind. Während die Politiker damit protzen, daß die Bundesrepublik Deutschland 2,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts in Forschung und Entwicklung investiert und damit im Weltrang nach den USA und Japan an dritter Stelle rangiert, sollen sich Frauen weiter mit kleinen Abfindungen für ihre wissenschaftlichen Arbeiten und Forschungsvorhaben begnügen. Vor allem aber sind Frauen an den politischen und fachlichen Entscheidungsprozessen, die der öffentlichen Forschungsförderung vorausgehen, kaum beteiligt. Dennoch bezweifeln wir, ob es sinnvoll ist, wenn Frauen zur Förderung ihrer wissenschaftlichen Vorhaben weiterhin Sondermittel fordern. Sie kaufen sich damit mit großer Wahrscheinlichkeit wieder nur die gewohnten Absagen ein. Denn die Gelder sind - weil bereits an Männer vergeben

-knapp; bestenfalls stehen kleine Sümmchen zur Verfügung, mit denen dieses oder jenes besonders dringlich gemachte Projekt vorübergehend unterstützt werden kann. Wirklich dringlich ist es dagegen, daß Frauen endlich darauf dringen, das zu bekommen, was ihnen angesichts des im Artikel 3 des Grundgesetzes ausgesprochenen Verfassungsauftrages zusteht: Die Hälfte von allem, also auch von den Geldern, die in Forschung investiert werden. Forderungen nach eigenen Hochschulen, nach Lila-Forschungseinrichtungen oder gleichfarbigen Gremien, die dann exklusiv der Frauenförderung dienen sollen, drücken eine eher defensive Haltung aus: Den Wunsch nach Inanspruchnahme eines besonderen Schutzes und eben nicht die Entschlossenheit zum Kampf für die uns zustehende Hälfte des Ganzen.

Außerdem geben wir zu bedenken: Wenn nicht in die vorhandenen Geldtruhen der Forschungsförderung gegriffen werden soll, von wo wird dann das Geld für feministische Sonderforschung aller Wahrscheinlichkeit abgezweigt werden? Bestimmt nicht aus den Rüstungsausgaben oder von der Wirtschaftsförderung. Eher schon aus den Sozial-, Gesundheits- oder Bildungsetats, die ohnehin unter Knappheit leiden und ohnehin stärker von Frauen in Anspruch genommen werden. Eroberung der Gremien

Aus der Einsicht, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann, sollten wir daher andere Konsequenzen ziehen als den Lila-Farbpinsel zu schwingen: 1969 wurde im 21.Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Artikel 91b geschaffen, der die Zuständigkeit von Bund und Ländern für überregionale Probleme der Bildungsplanung und der Forschungsförderung in der Verfassung verankert. Entscheidungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich werden seitdem zwischen Bund und Ländern in gemeinsamen Verwaltungsabkommen koordiniert. Besondere von Bund und Ländern getragene Einrichtungen zur Forschungsförderung sind auf der Grundlage eben dieses Artikels 91b geschaffen worden, so zum Beispiel die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die sogenannte blaue Liste, ein Förderprogramm für Forschungsinstitute, in das auch Frauenforschungseinrichtungen aufgenommen werden können. Die „gemeinsame Kommission für Bildungsprogramm und Forschungsförderung“, in der Vertreter der Länderregierungen und des Bundes die politischen Richtlinien für die Bildungs und Wissenschaftspolitik der Länder erarbeiten, ist ebenfalls auf der Grundlage des Artikels 91b Grundgesetz geschaffen worden, wie auch der Wissenschaftsrat, ein Experten-Beratungsgremium.

In alle den genannten Gremien sind die Frauen kraß unterrepräsentiert. Nichts ist folgerichtiger, als durch entsprechende Richtlinien - nach Art. 91b GG - zwischen Bund und Ländern zu bewirken, daß die verfassungsrechtlich garantierte Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch im Hochschul- und Wissenschaftsbereich schrittweise und kontinuierlich, jedenfalls aber kontrolliert und mit politischem Willen hergestellt wird. Eine solche Politik und entsprechende Bund-Länder-Vereinbarungen müßten unter anderem dafür sorgen, daß mehr Frauen in den Wissenschaftsrat berufen werden und daß auch bei der DFG mehr Frauen entscheiden. Dies jedoch nicht nur unter dem Aspekt, für die angemessene Förderung der wissenschaftlichen Interessen von Frauen zu sorgen, sondern auch um zu erreichen, daß die „normale“ Wissenschaftspolitik und Anträge, die von Männern gestellt werden und über die bislang fast ausschließlich von Männern befunden wird, in den Einzugsbereich weiblicher Mitbestimmung gelangen. Eine neue Kommission

Die verstärkte Präsenz von Frauen in den Entscheidungsgremien ist zwar eine schnell zu realisierende, bei weitem aber nicht ausreichende Strategie, um die Situation von Frauen in Forschung und Wissenschaft grundlegend zu sichern. Auch geht es nicht allein darum, den aktuellen beruflichen Notstand aufzuheben. Es geht vielmehr um die Anerkennung weiblicher Forschungsfragen und Wissenschaftsinteressen und deren überfällige Etablierung. Das politische Interesse daran müßte angesichts der unaufhaltsamen Verschiebungen erheblich sein, denn Krisen von unberechenbarer Tragweite können entstehen und nicht nur Frauen, sondern alle treffen.

Wie bei der drohenden Bildungskatastrophe Ende der sechziger Jahre erheben wir jetzt den Anspruch an die Politiker, vorausschauende Maßnahmen gegen sich anbahnende Konflikte zu ergreifen. Damals wurde die Bund-Länder -Kommission ins Leben gerufen, die die genannten Empfehlungen für die später weitgehend realisierte Bildungsreform erarbeitete. Heute geht es darum, bundesweit die Integration von Frauen in Beruf, Wissenschaft, Forschung und Kultur durchzusetzen.

Eine mit dieser Zielsetzung einberufene Bund-Länder -Kommission kann die dazu notwendigen Vorarbeiten in Form von Planungs- und Entscheidungshilfen liefern. Weil es sich bei einer solchen Kommission nicht um irgendeinen Club, sondern um RegierungsvertreterInnen aus Bund und Ländern handelt, werden sie von Letztgenannten nicht nur beauftragt, sondern vor allem auch mit ihren Vorschlägen angehört.

Als Agentinnen einer solchen bundesweiten integrativen Frauenforschungspolitik wären in erster Linie die Frauenbeauftragten der Länder angesprochen. Die könnten gemeinsam mit Frauen innerhalb und außerhalb entsprechender Ministerien und der Hochschulen, eine solche Politik vorantragen. Auch die Frauenbeauftragten sollten sich nicht mehr mit Sondertöpfchen abspeisen zu lassen, sondern sich auf Bundesebene zusammentun und nach Art der „Konferenz der Kultusminister“ gemeinsam Politik machen. Bei ihnen müßte das Zentrum der Druckwelle liegen, die von Frauen aus Parteien, Ministerien und Hochschulen unterstützend nachgeschoben werden muß. Forschungsförderung ist für alle da. Auch für Frauen, die sich inzwischen bildungsmäßig an die Tore der Wissenschaft herangearbeitet haben. Es ist Zeit, daß diese Tor auch ihnen geöffnet werden und daß die hier fließenden Mittel nicht wie bisher fast ausschließlich männlichen Wissenschaftlern und männlichen Erkenntnis- und Machtinteressen dienen.

Es macht daher wenig Sinn, wenn Frauen ihre Kräfte bei der Realisierung von Sondermitteln für Frauenforschung verbrauchen, und dadurch gleichzeitig die gesamte öffentlich geförderte Forschung der Mitbestimmung durch Frauen weitgehend entzogen bleiben. Frauenforschungsförderung bleibt politisch fragwürdig, wenn die Art ihrer Durchsetzung sicherstellt, daß sich männliche Forschungsinteressen in Atom-, Gen- und Weltraumforschung weiterhin ungehindert austoben und den Großteil der Mittel, die für die Forschung überhaupt zur Verfügung stehen, verbrauchen können. Wenn Frauen es wirklich ernst meinen, was sie in letzter Zeit auf Tagungen zur Wissenschafts- und Frauenförderung verlauten ließen, dann ist es an der Zeit, die lila Kuschelecke zu verlassen und die politische und rechtliche Auseinandersetzung auf einer allgemeinen Ebene anzugehen.

Helga Foster und Barbara Schaeffer-Hegel

Zu den Autorinnen: Helga Foster, Sozialwissenschaftlerin, arbeitet im Bereich Bildungsplanung und Forschung mit dem Schwerpunkt Integration von Frauen in den Beruf.

Barbara Schaeffer-Hegel ist Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Berlin

Die Debatte um Strategien der Frauenförderung in der Wissenschaft wird kommende Woche mit einer Replik von Carol Hageman-White fortgesetzt. Sie plädiert darin für außeruniversitäre und autonome Strategien.

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