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Zwischen Salonkultur und Managerinnenherberge

Im Mai eröffnet in Berlin „artemisia“, das erste Frauenhotel auf dem europäischen Festland / Männer haben nur zu Geschäftsbesprechungen Zutritt / Auch als Ort für Ausstellungen, Lesungen und Konferenzen geplant  ■  Aus Berlin Katja Diefenbach

Früher war im vierten Stock der Brandenburgischen Straße 18, fünf Minuten vom Ku'damm, eine urige Berliner Pension wunderschön, mit alten dunklen Möbeln und verblichenen Tapeten mit großen Blütenmustern. Heute ist die ganze Etage eine Baustelle - Mauerdurchbrüche, offengelegte Kabel, beschädigte Wände. Bis Mai soll aus dem Schutt „artemisia“ entstehen, das erste Frauenhotel auf europäischem Festland, genannt nach der Malerin Artemisia Genteleschi. Sie prägte im 17.Jahrhundert ein neues, selbstbewußtes Bild der Frau in der Malerei.

Monika Herrmann, die für die vierköpfige Hotelcrew Öffentlichkeitsarbeit macht, „unbezahlt und aus Begeisterung“, führt durch 370 Quadratmeter kahle Räume und malt in Zukunftsfarben: „Hier neben den offenen Kamin kommt die Bar. Und hier, wenn erst mal der Durchbruch fertig ist, wird es hell und luftig. Und Farbe kommt, nicht das ewige Beige-Braun, keine Hoteleinheitswände.“

Betten für 21 Frauen wird „artemisia“ bieten: vom Doppelzimmer mit Dusche und ohne Toilette für 40 Mark pro Frau bis zur Suite für 160 Mark mit Frühstück. Die Hotelmacherinnen wollen die Preisskala möglichst breit fächern: vom unteren Niveau für die allein Reisende ohne großes Budget bis zum Mittelklasseniveau für die Geschäftsfrau.

Trendsetting oder

alternatives Projekt?

Die vier Inhaberinnen des Frauenhotels betreiben das Berliner Reisebüro „Frauen unterwegs“. Schon vor drei Jahren hatten sie die Idee, ein Hotel zu eröffnen. Immer wieder kam in ihrem Reisebüro die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten nur für Frauen. Im Juni '88 dann die Überraschung: ein Mietobjekt ist in Aussicht. Die Pensin „Brandenburg“ wird nach dem Tod der Besitzerin geschlossen. Im Oktober unterzeichnen die Vier den Mietvertrag für eine Hoteletage, Preis: 8 Mark 50 pro Quadratmeter. Der Senat bewilligt 500.000 Mark Kredit aus dem ERP-Programm zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Trendsetting im alternativen Gewande? „Natürlich ist 'artemisia‘ auch ein kommerzielles Projekt. Wir sind keine Samariterinnen. 'Artemisia‘ steht für ein neues Selbstbewußtsein der Frau. Wir wollen von dem Hotelbetrieb leben. Wir wollen Professionalität. Das ist ein positives Gefühl“, gibt sich Monika Herrmann im 'Freundin'-Image, erfolgreich emanzipiert. Die Macherin.

Leise kommen auch engagierte Töne. Die Hotelfrauen planen, „artemisia“ als kulturelles Forum zu nutzen: Ausstellungen, Lesungen, Tagungen im großen Konferenzraum des Stockwerks. „Unsere Idee ist das Wiederaufleben der Salonkultur des 19.Jahrhunderts. Wir denken da an Rahel Varnhagens 'Berliner Salon‘.“ Um 1800 trafen sich in Varnhagens Dachgeschoßwohnung in der Jägerstraße die bedeutendsten Männer des geistigen Berlins: Humboldt, Schlegel, Brentano, Fouque, Jean Paul, um nur einige zu nennen.

Männer dürfen das Hotel nur für Geschäftsbesprechungen mit Gästen betreten. Immerhin. Das ist die erst Einschränkung der Konzeption eines Frauenhotels, Freiraum für die reisende Frau zu schaffen. „Keine grinsenden, Whisky trinkenden Typen mehr an der Bar, keine blöden Blicke, keine zweitklassige Behandlung der Frau“, beschreibt Monika Hartmann die Idee des Projekts. In den USA sind diese Übernachtungsmöglichkeiten keine Seltenheit, in Europa gibt es bisher nur ein Hotel von Frauen für Frauen in London. Ein erster Erfahrungsaustausch mit den amerikanischen Hotelchefinnen werde jetzt beginnen. Für Kontakt mit der Frauenbewegung über die Nutzung des Berliner Hotels sei keine Zeit gewesen: „Wenn wir erst mal eröffnet haben, sind wir mittendrin in der Frauenszene. Das geht dann automatisch“, erklärt Monika Herrmann.

„Artemisia“ eine feministische Idee? Große Worte seien nicht ihre Sache, distanziert sie sich. Aber auch in die Nähe zu Touristik-Managerinnen auf der Frauenwelle will sie die „artemisia„-Inhaberinnen nicht gerückt sehen: „Wenn wir Millionen verdienen wollten, würden wir kein Frauenhotel eröffnen. Am Anfang steht die reine Selbstausbeutung. Wir sind Putzfrau und Hotelchefin in einem. Vielleicht ist der Betrieb 'artemisia‘ gelebter Feminismus.“

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