: MBB: Mittelstreckenraketen für Irak
Mit Scheinfirmen entwickelt der Rüstungskonzern MBB Mittelstreckenraketen für den Irak / Unmut im US-Kongreß über MBB und andere beteiligte westeuropäische Firmen: Londoner Abkommen verletzt ■ Von Andreas Zumach
Berlin (taz) - Der Rüstungskonzern Messerschmidt-Bölkow -Blohm spielt seit Anfang der 80er Jahre eine zentrale Rolle bei der Entwicklung ballistischer Mittelstreckenraketen, die chemische Sprengköpfe tragen können, für Libyen, Ägypten, Argentinien und den Irak. Das berichtet die 'Los Angeles Times‘ in ihrer gestrigen Ausgabe. Der Zeitung zufolge herrscht in der Bush-Administration sowie im US-Kongreß wachsender Unmut über die Rolle von MBB und anderen beteiligten westeuropäischen Firmen. Sie verletzten unter stillschweigender Billigung der jeweiligen Regierungen das Londoner Abkommen von 1987, in dem die USA, BRD, Italien, Frankreich, Japan, Kanada und Großbritannien vereinbarten, keine Raketen mit einer Reichweite von über 300 Kilometer bzw. dazugehörige Technologie und Know-how zu exportieren.
Unter einer vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt getroffenen Vereinbarung half MBB ab 1979 Argentinien bei der Entwicklung einer einstufigen Kurzstreckenrakete Condor 1. Anfang der 80er Jahre entwickelte Ägypten nach einer vom Irak herbeigeführten Vereinbarung mit Argentinien auf der Basis der Condor 1 die zweistufige Mittelsteckenrakete Condor 2. Durchgeführt wurde das Projekt „Transtechnica“ und „Consen“ - von MBB gegründete Firmen zu dem Zweck, die eigene Beteiligung zu verschleiern. „Consen“ und „Transtechnica“ übernahmen für die Dauer des Projekts zuvor bei MBB angestellte Raketenexperten und Techniker. Diese benutzten jedoch weiterhin MBB-Büroräume und andere Einrichtungen, wie der 'Stern‘ berichtete. Vertreter der US -Administration äußerten gegenüber der 'Los Angeles Times‘ die Erwartung, daß diese Mitarbeiter nach Auflösung der beiden Firmen wieder von MBB übernommen würden. Dies sei eine Verfahrensweise, mit der bundesdeutsche Firmen auch versucht hätten, ihre Beteiligung am Bau der libyschen Chemiewaffenfabrik zu verschleiern. Hinweise auf ein entsprechendes Verhalten von MBB gibt es auch bezüglich der diese Woche bekanntgewordenen Entwicklung der KOLAS-Rakete für die Bundeswehr.
Nach einem Bericht des 'Stern‘ vom 26.1.'89 bereitet die MBB-Scheinfirma „Transtechnica“ derzeit die Lieferung von „Laboranlagen“ im Wert von 76,7 Millionen Mark an eine irakische Forschungseinrichtung vor. Nach Informationen der taz hat die MBB-Geschäftsleitung die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im Juli 1988 instruiert, bei Erscheinen entsprechender Berichte „in einer Art Vorwärtsstrategie zuzugeben, daß 'Transtechnica‘ im Irak und in Argentinien ein Echtzeitlabor zur Raketensimulation entwickelt hat und unterhält“. Vor Auflösung der „Transtechnica“ müsse „dieses Geschäft, eine von der MBB-Leitung ungeliebte Altlast, nur noch zu Ende gebracht werden“. Auf eine Anfrage des grünen MdB Mechtersheimer im vergangenen Oktober erklärte die Bundesregierung, von den MBB-Aktivitäten nichts zu wissen. In den USA werden jetzt laut 'Los Angeles Times‘ Sanktionen gegen MBB erwogen, wie sie bereits gegen das ebenfalls an solcherart Geschäften beteiligte italienische Fiat -Tochterunternehmen SNIA ergriffen wurden.
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