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Datenbeauftragter als „moderner Sisyphus“

■ Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung legt seinen Jahresbericht vor / Kritik an Speicherpraktiken von BKA bis Bundespost: Bestimmungen seien zu unpräzise, radikale Änderungen notwendig

Bonn (dpa/ap/taz) - Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Alfred Einwag, hat Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CDU) und Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) Verletzungen des Datenschutzes vorgeworfen. Bei der Vorlage des 11.Tätigkeitsberichts seiner Behörde kritisierte Einwag gestern in Bonn die Speicherpraxis in den Dateien des Bundeskriminalamtes (APIS) und des Verfassungsschutzes (NADIS). Radikale Änderungen seien notwendig. Die Bestimmungen seien zu unpräzise und führten zur Speicherung von zu vielen und unwichtigen Details, sogar über Personen, die keiner Straftat beschuldigt werden. Es genüge nicht, einzelne Daten zu löschen oder - wie der Bundesinnenminister zugesagt habe das Personal besser zu schulen.

In der BKA-Datei APIS seien drei Viertel der wegen der Vermutung extremistischer Ziele gespeicherten Straftaten leichterer Art. Als Staatsschutzdelikt gelte schon der Protest gegen eine Müllverwertungsanlage oder das Abschneiden der Zählnummer vom Volkszählungsbogen. Nicht nur von Verdächtigen und Beschuldigten, sondern auch von Personen, die lediglich in Zusammenhang mit Staatsschutzdelikten gebracht wurden, seien Eß- und Trinkgewohnheiten, sexuelle Gewohnheiten und Beurteilungen wie „aalglatt“ oder „arrogant“ festgehalten worden. Weiter bemängelte Einwag, daß Daten ohne Prüfung der konkreten Einzelmaßnahme an die Datei des Verfassungsschutzes NADIS weitergegeben worden seien.

Gesetzesverstoß warf Einwag auch der Bundespost beim Funktelefondienst vor: Schutzwürdige Daten wie die angewählte Rufnummer, Zeitpunkt und Dauer von Gesprächen würden gespeichert, obwohl sie für die Gebührenrechnung nicht nötig sind. Erfaßt würden sogar Datensätze über angekommene Gespräche und nicht zustandegekommene Verbindungen.

Auch die Bundesbahn bekommt einen Rüffel vom Datenschutzbeauftragten für ihre Praxis, personenbezogene Daten strafunmündiger Kinder bei Schwarzfahrten im Verbundverkehr auch noch zu speichern, wenn das erhöhte Beförderungsgeld längst gezahlt worden ist.

Zimmermann erklärte in einer ersten Stellungnahme, der Tätigkeitsbericht zeige, daß in der Bundesrepublik „der Datenschutz gewährleistet ist“. Er werde sich auch weiterhin für die berechtigten Belange des Datenschutzes einsetzen. „Dabei muß die innere Ordnung unseres staatlichen Zusammenlebens, insbesondere die Sicherheit der Bürger, gewährleistet sein.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Wartenberg warf dem Innenminister dagegen vor, seinen Amtspflichten nicht nachzukommen. Auf zahlreichen Gebieten fehlten klare Rechtsvorschriften, die dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht würden. In dem Urteil war das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung, also die eigenen Daten, bestätigt worden. Der FDP -Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch begrüßte den Bericht als „konsequente Weiterentwicklung“ an der Aufgabe zum Schutz der Privatheit. Für die Grünen spielt Einwag die „Rolle eines modernen Sisyphus“, weil die Behörde bewußt finanziell und personell völlig unzureichend ausgestattet sei.

Einwag, der erst im Mai vergangenen Jahres das Amt übernommen hatte, kritisierte, daß im geplanten neuen Datenschutzgesetz die Datenerhebung und die Speicherung in Akten seiner Kontrolle entzogen werden sollte. Dies bedeute eine Einengung gegenüber der bisherigen Praxis. Außerdem gehe die Gesetzesvorlage nicht auf neue Speichertechniken wie etwa Video ein. Er erwarte, daß diese Mängel im Gesetzgebungsverfahren im Parlament noch behoben würden. Bereits an diesem Freitag werde der Bundesrat die Kritik aufnehmen.

Bevor Einwag im vergangenen Jahr Bundesbeauftragter für den Datenschutz wurde, hatte er im Innenministerium selbst an Gesetzen zur inneren Sicherheit mitgearbeitet. Konflikte hätten sich für ihn darauf im neuen Amt nicht ergeben, betonte der Datenschützer auf eine entsprechende Frage. „Ich brauche mich nicht zu verbiegen.“

Einwag räumte ein, daß die Möglichkeiten seiner Dienststelle, vor allem bei wachsender Beratertätigkeit, beschränkt sind. Bei insgesamt nur 32 Mitarbeitern sei eine umfangreiche Kontrolle der Bundesbehörden kaum möglich. Für die Durchsetzung seiner Änderungswünsche sei er vor allem auf die Unterstützung des Parlaments angewiesen. Der wiederholt gestellten Forderung, den Datenschutzbeauftragten nicht mehr von der Bundesregierung bestimmen, sondern vom Parlament wählen zu lassen, maß Einwag lediglich Symbolcharakter zu. Entscheidend sei die Unabhängigkeit der Arbeit. „Die ist gewährleistet.“

Als Erfolg der Beratertätigkeit seiner Behörde wertete es Einwag, daß bei der Gesundheitsreform „der gläserne Patient“ verhindert werden konnte. Weder bei Krankenkassen noch bei Abrechnungsstellen werde es Patientenkonten über die gesamten Leistungen geben.

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