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Die Guten und die Bösen

■ „Wien ist anders“ von Susan Korda und David Leitner

Die Nationalsozialisten waren in der Minderheit, aber die Opfer waren für Hitler. Ganz Österreich war Opfer des „Anschluß“, aber keiner hat sich gewehrt. Im Gegenteil. Es ist bekannt, wie auch in Österreich die Juden gequält wurden. „Ich fühle mich nicht schuldig“, sagt ein Jugendlicher in einer Fernsehdiskussion. Und er sagt es voller Anklage gegen das Heute. Bitte nicht noch mehr Vergangenheit, damit ich meinen Frieden behalte. Der Film Vienna is different: 50 Years after the Anschluss“ (Wien ist anders: 50 Jahre nach dem Anschluß) ist ein ergreifendes Dokument fehlender Auseinandersetzung mit Geschichte in Österreich. Eine Reportage über die zweifelhaften Feierlichkeiten zum Gedenktag. Der Film karikiert die Gedenkminute und hält die Kamera über Lügengewebe der vergangenen Jahrzehnte. Österreicher werden porträtiert, die sich im März 1988 endlich einmal mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sehen. Das liegt an Waldheim, der nur seine „Pflicht“ getan hat, wie all die anderen, die auch nur ihre Pflicht getan haben. „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist.“

Der Film dokumentiert Bilder des Unbewußten. Die Kamera, wackelig und 16mm, hält Peinlichkeiten aus, ja holt sie näher heran. Die Verleugnung trifft fast alle. Die schmerzliche Suche der FilmerInnen Susan Claire Korda und David Walker Leitner nach ein paar Menschen, die Verantwortung übernehmen, für das, was sie zugelassen und getan haben, ist bis auf wenige Ausnahmen erfolglos.

Der Film bleibt dicht am Alltag. Wie sie sich herausreden, wie sie Motive suchen, wie sie ihre Unwissenheit nicht verstecken können: „Was war noch gelb, so ein, eh, war nicht der Judenstern gelb.“ Es sind in den meisten Fällen die Nachgeborenen, die gefragt wurden.

„Vienna is different“, könnte auch in der Bundesrepublik gedreht sein. Natürlich. Die Abwehr, die Erklärung, die Suche nach moralischem Halt, das kennen wir hier. Auch die Angst vorm Schuldigfühlen bei den ganz Jungen, weil die Generationen vorher keine Verantwortung übernommen haben.

Was mich aber die ganze Zeit an dem Film stört, ist das Geschlechtsspezifische. Männer werden ausgefragt. Verdammt noch mal, hat es denn keine Frauen gegeben, die zögerlich -vertuschend Erklärungen versuchen. Alt und gut sind sie, als Zeitzeuginnen, eine diskutiert mit Männern gegen Waldheim, auch sie ist gut. Und die gute alte Sozialistin Rosa Jochmann auf einer Veranstaltung die mit zitternder Stimme heftig die Welt anklagt, daß sie geschwiegen hat zu den Millionen Morden - ein Moment, wo alles kühle ärgerliche Betrachten dieser Österreicher von einem abfällt und das Gefühl mitgeht gegen eine so infame Welt -, alles sind gute Frauen. Bis auf die eine im echten Wiener Kaffeehaus, die nicht will, daß gefilmt wird, die Angst hat vor irgendwas.

Maria Neef-Uthoff

Susan Korda und David Leitner: Wien ist anders, USA 1989, 75 Minuten.

Mo., 13.2., Akademie, 19.30 Uhr.

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