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Ich Mozart Beethoven

■ Eckhard Henscheid, Opfer einer böswilligen ZEIT-Attacke im Februar, sprach mit der taz anläßlich einer Lesung in Bremerhaven über Funktion, Wirkung und Macht der Satire

Es sei ein „Gefeixe für Insider“ - auf dem Niveau von Abiturscherzen und Studentenulk aus den 50er Jahren. So charakterisierte der Schriftsteller Manfred Seiler Anfang Februar in der ZEIT die Autorengruppe um Robert Gernhardt und Eckhard Henscheid, die im Haffmans-Verlag publizieren. Seiler sieht im Humor der TITANIC-Crew das „Gelächter von Heckenschützen“, die sich an der Dummheit der eigenen Vorurteile freuen, mit einem Wort: Häme. Altmeister Henscheid verstecke sich hinter Stilparodien, „ohne das Risiko einzugehen, daran auch wirklich gemessen zu werden.“ Das Sprechen mit anderen Zungen komme aus der Not, keine eigene Sprache zu haben.

Henscheids Reaktion auf die Attacke in der ZEIT: Kein Gegenangriff, sondern zurückhaltende Abwehr. Und das Eingeständnis, bei Abzug aller Ressentiments könne Seiler „ein Stück weit Recht haben“.

Henscheid: „Was wir eigentlich machen, ist ein Routine -Vorgang. Daß da manchmal ein Moment von allzu flüssiger Attitüde hineinrutscht, ist nicht zu bestreiten. Aber Seiler macht aus diesem plausiblen Vorgang, daß man auch schlechtere Tage hat und Sachen mit der linken Hand schreibt, gleich den Elefanten eines Over-Kills.

Das ganze ist so unseriös, daß es keinen Spaß macht, darauf einzugehen, wenn man viermal zitiert wird und alle vier Zitate sind falsch. Man weiß nicht genau, redet er über Haffmans Autoren oder über die TITANIC. Daß man eine Kohl -Satire zu viel schreibt, nachdem man schon ein Buch über Kohl geschrieben hat, das mag vorkommen, aber das sollte keine Grund für die Attacke sein. Auch Beethoven hat sich wiederholt und Mozart kupferte sich sel

ber ab.

taz: Seilers Vorwurf lautet, Sie machten es sich zu einfach mit der Auswahl Ihrer dem Spott ausgesetzten Figuren...

Henscheid: Das ist falsch und schon dadurch widerlegt, daß ich beispielsweise die linken Abgötter der Frankfurter Schule zum Gegenstand des Spotts mache, d.h. in einer Mischform aus Spott und Verehrung zitiere. Es war gerade die Leistung der TITANIC, eben nicht nur die rechten Gallionsfiguren zu attackieren. Wir mußten das Publikum erst erziehen, Figuren des linken Spektrums als genauso angreifbar zu akzeptieren.

Ist Satire für Sie ein ernstes Geschäft?

Henscheid: Ich sehe mich nicht in primär als Satiriker. Meine Romane sind keine satirischen Romane, sondern Romane mit einem Übergewicht an komischen Sehweisen und komischen Vorgängen. Der Satiriker als ernster Mensch? Ich mag eigentlich nicht mehr darüber reden. Das sind Plattitüden, die immer wiederholt werden. Daß ich einer sei, wird mir nachgesagt. Wahrscheinlich ist es nicht falsch. Die Lösung technischer Probleme, ästhetischer Probleme, und daß ich beim Wiederlesen meiner eigenen Arbeiten Vergnügen daran finde, ist mir zumindest auf kürzere Instanz hin wichtiger als ständig zu überlegen, ob das dem moralishen Status des Landes nützt.

Ist die politische Situation heute ein fruchtbarer Boden für Ihre satirischen Arbeiten?

Henscheid: Wenig. Bonner Politik schon fast gar nicht mehr. Figuren wie Kohl und Strauß sind in ihrer satirischen Ergiebigkeit wahnsinnig überschätzt worden, nachdem diese personenbezogene Satire hundert Kollegen in Deutschland gleichzeitig ma

chen, Kabarettisten, Karikaturisten, Satiriker.

Daß man durch die publizistischen Arbeiten ein bißchen dazu beiträgt, das politische Klima im Land mitzuprägen, das lasse ich mir eher eingehen. In bescheidenem Umfang passiert es jetzt bei den Frankfurter Wahlen zum Oberbürgermeister, wo sich einige der Unsrigen für Volker Hauff stark machen. Von Engagement zu sprechen, ist aber wirklich übertrieben. Ich habe bisher nichts geleistet, als meinen Willen bekundet, der Öffentlichkeit mitzuteilen, daß ich für Hauff sei.

Hans Happel

Von Eckhard Henscheid erschien zuletzt „Maria Schnee“ (Haffmans-Verlag, 24,80 Mark

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