: Vier Fäuste in Berlin
■ S T A N D B I L D
(Die Gebrüder Rocchigiani, ZDF, 22 Uhr 30) Michael Palmes Reportage über den Box-Weltmeister Graciano Rocchiiani dessen Bruder Ralf und das Brimborium der Berliner Boxer -Szene zeigte von allem ein bißchen. Rocky im Ring, Rocky erschöpft in der Kabine, Rocky als Zuschauer, Rocky privat: Palme versuchte die Menschen Rocchigiani zu charakterisieren, dem Zuschauer näherzubringen. Das ist ihm gelungen.
Dennoch: Mir fehlte in diesem Porträt der Rocchigiani -Macher, der große Mann im Hintergrund, der Manager, ohne den die Rocchiganis wohl nicht für viele 10.000 Mark in den Ring, sondern für zwei Mark Bouletten in ihrer Kneipe verkaufen müßten. Gemeint ist Wilfried Sauerland, der Geschäftemacher aus dem Rheinland mit Firmensitz in der Schweiz. Ihm hat Graciano, neben seinen Fäusten, so ziemlich alles zu verdanken. Auch die 400.000 Apartheidsmark, schlau von Sauerland eingefädelt, die Rocky in Berlin durch seinen Fight gegen den farbigen Südafrikaner Malinga einheimste.
Auch die Tatsache, daß Rockys Gagen nach einem Verlust kaum mehr ausreichen würden „'ne dicke Lippe“ zu riskieren, ging im Bericht unter. Daß sich Rocky, bevor er in den USA gegen die eigentliche Weltklasse seinen Titel verteidigen kann, erstmal die Taschen vollstecken muß, ist ebenfalls kein unwesentliches Detail. So boxt der Weltmeister hierzulande zwar nicht gegen zweitklassige Gegner, doch in allzugroße Gefahr begibt sich der Berliner nicht.
Hintergründiges also, das war nicht Palmes Idee. Einen guten Beitrag hat er dennoch gemacht. Denn in einer halben Stunde ein Bild über die weitgefächerte Problematik eines Box-Weltmeisters in Szene zu setzen, das ist keine einfache Aufgabe. Trotzdem: Wenn ich's dürfte: Ich hätte einen anderen Film gedreht.
Holger Schacht
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