Rezepte aus der Mottenkiste

■ Erwiderung auf Barbara Schaeffer-Hegel und Helga Foster „Raus aus der lila Kuschelecke - Für eine integrative Wissenschaftspolitik“

Carola von Braun

Barbara Schaeffer-Hegel und Helga Foster plädierten in ihrem Artikel für eine „integrative Wissenschaftspolitik“ und forderten die Strateginnen der Frauenforschung auf, die „lila Kuschelecke“ zu verlassen. Leider haben die Autorinnen dabei sehr nachlässig recherchiert und eine Bewertung der Frauenforschungsstrategien vorgenommen, ohne diese wirklich zu belegen oder zu begründen, was den Aussagewert dieses Beitrages schon erheblich mindert.

Dieses Manko gilt erst recht für die Forderungen und Vorschläge, die die Autorinnen in ihrem Beitrag unterbreiten. Sie stammen - ich muß es leider so bezeichnen

-aus der Mottenkiste der frauenpolitischen Strategien und lassen erkennen, daß den Autorinnen offensichtlich bestimmte Entwicklungen in der Debatte um die Förderung der Frauenforschung völlig entgangen sein müssen. Ich möchte diese Kritk begründen und konzentriere mich dabei auf die Aspekte, die mir aus frauenpolitischer Sicht wichtig sind. I. Zur Kritik an der Selbstdarstellung der

Frauenforscherinnen:

Offenbar war ich auf einer völlig anderen Veranstaltung als die Autorinnen. Ich habe aus diesem Podium für mich mitgenommen, wie reich und vielfältig die Leistungen der Frauenforschung und der -forscherinnen sind und wie miserabel dagegen die institutionellen Rahmenbedingungen für Frauenforschung!

Wann soll dieser krasse Widerspruch aufgezeigt werden, wenn nicht auf einer solchen Tagung! II. Zur Kritik am

„Aufbau von Buh-Männern“:

Dieser Absatz zählt zu den nachlässig recherchierten, und ich füge hinzu, daß er sich durch eine besonders herablassende Tonart gegenüber der Arbeitsgruppe der veranstaltenden Wissenschaftlerinnen auszeichnet. Eingeladen war selbstverständlich nicht nur die Referentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sondern mehrere VertreterInnen. Eine Belehrung über die Terminnöte von Referenten war hier völlig verzichtbar. Nützlich wäre es dagegen gewesen, wenn die Autorinnen sich rechtzeitig sachkundig gemacht hätten über die Hintergründe der Kritik an der DFG. Vielleicht hätten sie dann feststellen können, daß in der DFG ein kontroverser Diskussionsprozeß in Gang gekommen ist und es deshalb richtig und notwendig war. Das Fehler der DFG bei der Berliner Veranstaltung zu monieren. Das hat nichts mit dem „Aufbau von Buh-Männern“ zu tun, sondern mit berechtigter Kritik am Integrationswillen des etablierten Wissenschaftsbetriebes. Und damit komme ich zum nächsten, mir persönlich wichtigsten Punkt: III. Zu der Streitfrage, ob Integration in den etablierten Wissenschaftsbetrieb gewollt wird oder ob „Sondertöpfe“

sinnvoll sind:

Wer um Himmelswillen kann noch ernsthaft darauf hoffen, daß sich im hart umkämpften Verdrängungs-Arbeitsmarkt Hochschule noch irgendetwas mit „Unterwanderungsstiefelchen“ bewirken ließe? Selbstverständlich muß es das Hauptziel der frauenpolitischen Strategien bleiben, im etablierten Wissenschaftsbetrieb Fuß zu fassen, aber die Frage ist doch das Wie! Und darauf geben die Autorinnen keine Antwort, beziehungsweise wiederholen leider nur altbekannte Ratschläge, die aber seit Jahrzehnten noch nicht verwirklicht werden konnten. Dafür einige Beispiele:

-die Forderung nach „Eroberung der Gremien“ ist richtig und muß auch immer wiederholt werden. Aber ihre Verwirklichung wird, so fürchten viele Frauen an den Hochschulen, noch sehr lange auf sich warten lassen. Wollen wir in der Zwischenzeit gar nichts tun oder lieber dafür sorgen, daß wenigstens zusätzliche Möglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Frauenforschung eröffnet werden?

-Die gebetsmühlenartige Erinnerung an die Nichterfüllung des Artikels 3 Grundgesetz Art.3 GG bringt keine einzige Wissenschaftlerin mehr in Amt und Brot. Was wir brauchen, sind Zusatzinstrumente: mehr Stellen für Wissenschaftlerinnen, mehr Geld für Frauenforschung. Mit dem Ziel und solange, bis der etablierte Wissenschaftsbetrieb sich endlich für Wissenschaftlerinnen und Frauenforschung öffnet.

-Die Autorinnen empfehlen außerdem, daß die Frauenbeauftragten von Bund und Ländern „sich auf Bundesebene zusammentun und nach Art der „Konferenz der Kultusminister“ gemeinsam Politik machen sollen. Es gibt diese regelmäßig tagende Fachkonferenz selbstverständlich schon seit Jahren.

Dort wird sehr wohl gemeinsam Politik gemacht; allerdings ist Politik dort etwas komplizierter, als es sich die Autorinnen vorstellen. Weil die Vertreterinnen der jeweiligen Bundesländer aus unterschiedlichem politischen Hintergrund stammen und unterschiedliche Kompetenzen haben und trotzdem gemeinsame Strategien entwickeln wollen und müssen.

All dies scheint den Autorinnen nicht bekannt gewesen zu sein, was ich bedauere.

Fazit: Die Frage heißt nicht Integration oder Sondertöpfe für Wissenschaftlerinnen und Frauenforschung. Wir brauchen beides. Da aber Integration ohne Druck kaum zu erreichen sein wird (dafür brauchen wir ein Gleichstellungsgesetz des Bundes und der Länder) müssen wir bis dahin zusätzliche Methoden und Instrumente entwickeln, um mehr Stellen und mehr Geld für Wissenschaftlerinnen und Frauenforschung zu bekommen. Das Plädoyer von Barbara Schaeffer-Hegel und Helga Foster hat hierzu leider nichts beigetragen.

Die Autorin ist Frauenbeauftragte des Berliner Senats