: Der Frühling will nach Prag zurück
Reformkommunisten gründen Perestroika-Klub / Auch eine sozialdemokratische Vereinigung hat sich angemeldet / KP-Führung reagiert ablehnend: Zulassung unwahrscheinlich / Härterer Kurs gegen Opposition ■ Von Klaus Bachmann
Berlin (taz) - Die Reformkommunisten des Prager Frühlings von 1968 beabsichtigen eine Rückkehr ins politische Leben der CSSR. Wie der ehemalige Außenminister der CSSR, Jiri Hajek, gegenüber der taz erklärte, hat eine Gruppe von 80 Personen um die Samizdat-Zeitschrift 'Dialog‘ die Gründung eines Pro-Perestroika-Klubs unter dem Namen „Obroda“ in Angriff genommen. Der Klub will die Ideale des Prager Frühlings in Seminaren, Zeitschriften und Diskussionen propagieren und tritt für eine umfassende Umgestaltung und Demokratisierung des Systems der CSSR ein. Hajek: „Nur so gibt es noch einen Ausweg aus der Krise in der CSSR.“
„Obroda“ will sich aber nicht nur auf ehemalige Dubcek -Anhänger stützen. Hajek: „Wir sind auch offen für Andersdenkende.“ Kontakte bestehen bereits zu einer sozialdemokratischen Vereinigung, die ihre Registrierung bereits bei den Behörden angemeldet hat.
Dem Perestroika-Klub gehören außer Hajek zahlreiche prominente Vertreter der ehemaligen Dubcek-Führung an, die nach 1968 aus der Partei gesäubert worden waren. In einem „Aufruf an die europäische Linke“ fordern sie Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu einer „Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung“ und zur pluralistischen Einheit auf. Die Gruppe versteht sich laut Hajek als Lobby für Gorbatschows Perestroika.
Das Parteiorgan der Tschechischen KP, 'Rude Pravo‘, hat die Initiative scharf verurteilt. Den Aufruf der Klubgründer bezeichnete 'Rude Pravo‘ als Versuch, „unser Vokabular zu opportunistischen Zwecken zu mißbrauchen“. Mit der Zulassung des sozialdemokratischen wie des reformkommunistischen Klubs ist nicht zu rechnen, da die Behörden gerade erneut die Gangart gegen die Opposition verschärft haben. Unter Umgehung des Parlaments hat das Parlamentspräsidium in Prag eine drastische Verschärfung der Strafen für „Störungen der öffentlichen Ordnung“ und die Verbreitung „staatsfeindlicher Schriften“ verfügt. Demonstranten müssen demnach mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug rechnen, für Redakteure von Untergrundzeitschriften erhöhen sich die Geldstrafen von bisher 5.000 Kronen auf bis zu 20.000 Kronen (ca. sieben Monatslöhne).
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