: Machtkampf der christlichen Truppen
Kämpfe in Ostbeirut / Chef der Übergangsregierung strebt Alleinherrschaft im Christenland an / Führer der Christenmiliz FL, Samir Geagea, befürwortet Spaltung des Staates Libanon ■ Aus Beirut Petra Groll
Obwohl ganz offensichtlich die Christenmiliz Libanesische Streitkräfte (FL) die Auseinandersetzungen mit den Truppen des christlichen Generals Aoun in Ostbeirut provoziert hatte, räumen Beobachter den FL-Truppen Samir Geageas unisono die Defensiv-Position ein, denn sie billigen dem Armeechef und Übergangspräsidenten Aoun politische Legitimität zu.
Aoun war nach den gescheiterten Präsidentschaftswahlen vom letzten September - ironischerweise mit mächtiger Unterstützung der FL - durch einen kalten Putsch auf den Sessel des Staatschefs gekommen.
In schönster Einhelligkeit hatten Aoun und Geagea politisch Front gegen die Präsenz der schätzungsweise 40.000 syrischen Tuppen in den vorwiegend moslemischen Landesteilen gemacht. Aoun, dem im oppositionellen moslemischen Lager die Übergangsregierung des sunnitischen Interimspremiers El-Hoss gegenübersteht, hat seine Ambitionen, Staatschef über ganz Libanon zu werden, offenbar nicht aufgegeben.
Zwangsläufig muß er die Alleinherrschaft im Christenland erobern, bevor er sich an den Zweidrittelrest des Landes machen kann. Dem entgegen steht die FL, die sich u.a. als Sicherheits- und Ordnungsmacht, aber auch mit einem eigenen Steuersystem und sozialen wie Bildungseinrichtungen, öffentlichem Transportsystem, eigener Presse und TV-Sendern über lange Jahre hinweg als „Staat im Staat“ etabliert hat.
Rückenwind hat Aoun offenbar bei Gesprächen mit einem Sonderkomitee der Arabischen Liga erfahren, das Libanon vor der drohenden Spaltung retten soll. Vielleicht ist es durchaus nicht nur als besondere Pikanterie zu verstehen, daß Milizchef Samir Geagea sich bei Ausbruch der Spannungen auf einem als „Europareise“ verkauften Trip nach Israel befand, dessen traditionelle Sympathien für eine Spaltung und die Ausrufung einer „Christlichen Republik Libanon“ kein Geheimnis sind.
Bei der weitverbreiteten öffentlichen Häme, daß Chaos und Zerstörung zur Abwechslung auch einmal die größtenteils verschwenderisch luxeriösen Wohn- und Geschäftsviertel des von Bürgerkrieg und israelischer Invasion weitgehend verschonten christlichen Ostbeirut heimsuchen, hat das politische Westbeirut sich denn auch mehr oder minder eindeutig auf die Seite Aouns und der Armee gestellt.
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