: Trennung von der „Mutter der Nation“
■ Südafrikanische Oppositionsgruppen distanzieren sich von Winnie Mandela / Aus Südafrika von Hans Brandt
Ist das Symbol des Anti-Apartheidkampfes Opfer einer Verleumdungskampagne geworden? Oder ist die Frau des seit einem Vierteljahrhundert in Südafrika eingekerkerten Führers des ANC an dem enormen Druck, der seit Jahren auf ihr lastet, zerbrochen? Hat sie der plötzliche Ruhm zu Eigenmächtigkeit verführt? Sie soll an Entführung und Folter von vier Jugendlichen beteiligt gewesen sein, sogar von Mord ist die Rede. Zwar sind die schweren Vorwürfe gegen sie bislang nicht bewiesen. Die Reaktion der Opposition scheint aber die Richtigkeit der Anschuldigungen zu bestätigen: Frau Mandela hat „unser Vertrauen mißbraucht. Oft haben ihre Praktiken gegen den Geist und den Ethos der demokratischen Bewegung verstoßen.“
„Ich unterstütze Winnie Mandela. Ich finde diese ganze Episode vollkommen widerwärtig. Hier wird jemand von der Presse hingerichtet.“ Dr. Ntatho Motlana, Hausarzt der Familie Mandela und prominenter Vertreter der Bürgerinitiative von Soweto, konnte bei einem BBC-Interview am Mittwoch abend kaum an sich halten. „Diese Diffamierungen richten sich nicht nur gegen Winnie Mandela, sondern auch gegen Nelson und die ganze demokratische Bewegung“, fügte Motlana hinzu.
Kaum zwölf Stunden später war Motlanas leidenschaftliche Verteidigung der Frau des ANC-Führers Nelson Mandela unhaltbar geworden. Prominente Vertreter der Opposition hatten sich öffentlich und mit scharfen Worten von Winnie Mandela distanziert. Es ist unwahrscheinlich, daß Motlana die Vorwürfe gegen Winnie Mandela alle für Luftgespinste halten konnte. Doch offenbar war er nicht bereit, sie öffentlich zu kritisieren.
Tatsächlich kann die Kontroverse um Winnie Mandela der Opposition schaden - trotz der jetzt erfolgten öffentlichen Distanzierung. Zwar rief UDF-Pressesprecher Murphy Morobe zu Zurückhaltung im Umgang mit Winnie Mandela auf. Doch offenbar gibt es nach wie vor Differenzen darüber, wie mit der Krise umzugehen ist. Einzelheiten wurden allerdings bislang noch nicht bekannt.
Allabendlich ist im staatlichen Fernsehen von „Spaltungen innerhalb der Führung des ANC“ die Rede, während alle Details über Untersuchungen der Leiche von „Stompie“ Seipei und von Maxwell Madondo (19), einem am Montag ermordeten Mitglied des „Fußballklubs“, berichtet werden. Es ist nicht auszuschließen, daß Winnie Mandela in Zukunft vor einem Apartheid-Gericht angeklagt wird. Die Polizei warnt indessen auch vor der Möglichkeit, daß es zu erneuten blutigen Kämpfen zwischen dem „Fußballklub“ und Anti -Apartheidaktivisten kommen könnte.
Jugendliche Aktivisten in Soweto schließen das nicht aus. „Winnie Mandela hat der gesamten progressiven Bewegung geschadet“, sagt ein führendes Mitglied des verbotenen Soweto-Schülerkongresses. „Der Fußballklub hätte längst aufgelöst werden müssen.“ Er fürchtet, daß die Mitglieder des „Fußballklubs“ schwer bewaffnet sind und einen Rachefeldzug gegen andere Aktivisten durchführen könnten.
Probleme mit Winnie Mandela hat die Opposition schon seit Jahren. Andererseits mußte auch Winnie Mandela eine besonders schwierige Position innerhalb der Anti -Apartheidbewegung ausfüllen. Nelson Mandela wurde zum Symbol aller unterdrückten Südafrikaner, egal, welcher politischen Gruppierung sie angehören. So konnte auch Winnie Mandela, als Vertreterin ihres Mannes, sich nicht ohne weiteres einer bestimmten Organisation anschließen.
Ihr erster schwerer Fehler war der Aufruf in einer Rede Anfang 1986, das Land mit „unseren Streichhölzern und unseren Halskrausen“ zu befreien. Dieser Aufruf zur Lynchjustiz fiel in eine Zeit, als der ANC international harter Kritik wegen der Ermordung von angeblichen Kollaborateuren in südafrikanischen Townships ausgesetzt war. Den Opfern wurden in Benzin getränkter Autoreifen umgehängt. Dann wurden sie angezündet. Das Apartheidregime benutzte die Anwendung der „Halskrause“ als eine Rechtfertigung für die Verhängung des Ausnahmezustandes. Die jugendlichen „Comrades“, die diese „Halskrause“ erfunden hatten, unterstützten Winnie Mandelas Aufruf.
Zum zweiten Mal geriet sie wegen des Baus einer weitläufigen Luxusvilla in Orlando West, unweit ihres alten Hauses in Soweto unter Beschuß. Dies war das wohl erste Zeichen, daß sie nach Jahren der Verbannung in kleinen Häuschen und in abgelegenen Orten das Bedürfnis nach Bequemlichkeit und Privatleben verspürte. Doch ihre politisch exponierte Position ließ die Befriedigung solcher Bedürfnisse nicht zu. „Ein Führer wie Mandela sollte in einem Haus wie alle anderen leben“, sagte damals eine Schülerin gegenüber der taz. Offenbar war Nelson Mandela derselben Ansicht. Bis heute steht der Luxusbau leer, die Türen sind mit Brettern zugenagelt.
1987 gründete sie auch den berüchtigten „Mandela Fußballklub“. Die arbeitslosen Jugendlichen, denen sie eine Beschäftigung geben wollten, führten sich aber schnell wie die königliche Leibgarde auf. Anfangs gab es Streit um die wenigen offenen Spielflächen in Soweto. Die „Mandela Elf“ beanspruchte Fußballfelder je nach Belieben - und machte sich damit in der Township unbeliebt.
Zu einer schweren Krise mit dem Fußballklub kam es im Juli letzten Jahres, als Winnie Mandelas altes Haus von Schülern abgebrannt wurde. Die Mitglieder des „Fußballklubs“ hatten offenbar am Tag zuvor eine Schülerin vergewaltigt. Als die protestierenden Schüler Winnie Mandela nicht zu Hause vorfanden, richtete ihre Wut sich gegen das Haus. So verbrannten Dokumente und Erinnerungsstücke, die Winnie über Jahrzehnte mit ihrem Mann verbunden hatten.
Aus diesem Anlaß wurde das „Mandela Krisenkomitee“ vom Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates, Pastor Frank Chikane, einberufen. „Wir hatten Angst, daß es in den darauffolgenden Tagen zu weiteren blutigen Auseinandersetzungen kommen könnte“, sagte Chikane. „Das haben wir bei Gesprächen mit dem Fußballklub und in der betroffenen Schule verhindern können.“
Die Auflösung des „Fußballklubs“ wurde jedoch nicht erreicht. Winnie Mandela wollte die von ihr selbst kontrollierte Gruppe nicht aufgeben. Erst so konnte es zu der jüngsten Entführung von vier Jugendlichen aus einer methodistischen Kirche in Soweto kommen. Die vier wurden offenbar von Mitgliedern des „Fußballklubs“ schwer mißhandelt. Einer von ihnen, der 14jährige „Stompie“ Seipei verschwand. Seine Leiche wurde am 6. Januar in Soweto gefunden. Seine Halsschlagadern waren zerschnitten. Winnie Mandela selbst gibt zu, daß die vier Jugendlichen aus der Kirche entführt wurden - angeblich, um sie vor „sexuellem Mißbrauch“ zu schützen. Diese Vorwürfe hat die methodistische Kirche entschieden zurückgewiesen.
Inzwischen haben sowohl Nelson Mandela als auch ANC -Präsident Oliver Tambo zur Auflösung des „Fußballklubs“ aufgerufen. Ohne Erfolg. Noch vor wenigen Tagen traten die Mitglieder des Klubs in ihren gelben Trainingsanzügen gemeinsam auf.
Das alles zeigt, daß Winnie Mandela von den politischen und persönlichen Anforderungen, die die Verfolgungen durch das Apartheidregime, die Verhaftung ihres Mannes und ihre internationale Berühmtheit an sie gestellt haben, überfordert war. Aber es ist möglich, daß ihr Leben nun noch härter werden wird. Winnie Mandela wird in Zukunft eine einsame Frau sein.
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