Kein Platz für Täter

■ Olaf Arndt sprach mit Derek Jarman über „War Requiem“

Wie ist ihr Verhältnis zur Kirche?

Ich habe darüber ein Buch geschrieben, weil ich feststellte, daß im Film kein Raum ist, solche Gebiete auszukundschaften. Mein Verhältnis zur Kirche ist ein Leben lang sehr antagonistisch gewesen. Die Geschichte des Christentums wird von Aggression geprägt. Die Liebe wird gepredigt, der Haß wird praktiziert. Ich finde keine Vorstellung erschreckender, als daß ich mich eines Tages, gemeinsam mit diesen Leuten in einem christlichen Himmel befinden könnte. Es ist eine sehr gewalttätige Kultur und die Religion ist immer die Basis dafür gewesen. Denken Sie an die großen Feierlichkeiten nach dem Falkland Krieg: sie fanden in Kirchen statt, was nicht möglich gewesen wäre, wenn es keine Verbindung von Krieg und Christentum gäbe.

In dem Film sind nur Opfer zu sehen. Dadurch wird der Blick auf den Krieg zunächst einmal stark reduziert. Wohin sind denn in Ihrem Film die Täter verschwunden?

Im „Requiem“ ist kein Platz für Täter. Das Stück ist wohlüberlegt organisiert. Es gibt nur einen Täter, und der ist Täter durch einen Fehler. Es ist der Textdichter selbst, Owen, der einen Soldaten erschoß und das in seinen Briefen erschüttert berichtet. In allen Kriegsfilmen findet sich diese Struktur von Gut und Böse, einige Gute Leute und ihnen gegenüber die Bösen. Sogar ein Film wie „Die Nacht von San Lorenzo“ hat das. Ich ziehe die Bunuelsche Annäherung an das Thema vor, sie ist akkurater: „Die Leute sollten gute Leute sein, aber tatsächlich sind alle bösartig!“ Ich mag seinen unangenehmen Zugriff, der von großer Erfahrung zeugt.

Benjamin Britten war ohne Zweifel ein überzeugter Pazifist. Das hat mich zu der Auffassung gebracht, es sei richtig, einmal diese kleine Gruppe von herrschenden Tätern auszusparen und nur die Massen von Opfern zu zeigen, denen keine Wahl gelassen wurde. Außerdem gibt es da ein sehr interessantes Verhältnis der Opfer untereinander in den authentischen, dokumentarischen Szenen, die ich in meinen Film aufgenommen habe. Ich denke an diese ungeheuer bewegende Szene, wo verletzte, brennende japanische Soldaten nach dem Angriff auf Pearl Harbour verstreut umherliegen und amerikanische Soldaten aus der Deckung herausgelaufen kommen, um ihnen zu helfen - ich glaube nicht, daß sowas nachgestellt worden ist. Ich will auch nicht behaupten, daß es immer so war, aber so etwas hat auch existiert.