Kopfgeld für Flüchtlinge aus Birma

■ Fünf Monate nach dem Militärputsch in Birma werden die Flüchtlinge auf der thailändischen Seite verfolgt und an ihr Heimatland ausgeliefert / In Rangun droht den Rückkehrern Gefängnis, Folter und Hinrichtung

10AUSLAND HINTERGRUNDMITTWOCH, 22/2/89 Von Altemeier&Hornung

Bangkok (taz) - Nach ihrer freiwilligen Rückkehr aus dem thailändischen Exil kamen der 21jährige Student Har Nit und sein Kommilitone Aung Moe in Ranguns berüchtigtes Gefängnis „Insein Jail“. Flugblätter und Zeitungsartikel in Thailand behaupten, daß Har Nit dort so lange kochendes Fett in den Mund gegossen wurde, bis er starb. Dem 23jährigen Aung Moe soll bei den Folterungen das Genick gebrochen worden sein.

Von den rund 15.000 Birmanen, die nach Angaben oppositioneller Studenten nach dem Militärputsch vom 18. September 1988 auf die thailändische Seite der Grenze flüchteten, kehrten auf offiziellem Weg bisher lediglich 326 in ihre Heimat zurück. Diplomaten aus Rangun berichten, daß viele Rückkehrer festgenommen und ohne Gerichtsverfahren in Haft gehalten werden. Von einigen weiß man inzwischen, daß sie hingerichtet wurden. Ihre Eltern erfuhren das aus schriftlichen Benachrichtigungen: „Ihr Sohn/Ihre Tochter ist ordnungsgemäß im Krematorium verbrannt worden.“

Im Herbst 1988 hatte die thailändische Regierung den geflüchteten birmanischen Studenten zunächst politisches Asyl gewährt. Diese Politik änderte sich, als der thailändische General Chaovalit Yongchiyuth Mitte Dezember nach Rangun flog. Um die Rückführung der birmanischen Studenten zu organisieren, wurde in der nordwestlichen Provinzhauptstadt Tak ein Camp

des thailändischen und birmanischen Roten Kreuzes errichtet. Die birmanische Regierung bezeichnet die Berichte über Folterungen als reine Propaganda gegen die Militärregierung. Allen Rückkehrern, die sich bis zum 31.Januar 1989 im Rote -Kreuz-Lager in Tak meldeten, wurde freies Geleit garantiert. Allerdings sollen diejenigen bestraft werden, die „Verbrechen“ begangen haben.

Nur wenige Flüchtlinge schenken den vollmundigen Versprechungen der birmanischen Militärregierung Glauben. Bei einem Besuch im Rote-Kreuz-Lager in Tak treffen wir lediglich sechs birmanische Flüchtlinge an. Mit einem von ihnen, dem 27jährigen Arzt Dr.Win tun, konnten wir sprechen. Er war dabei, als die Armee am 19.September, einen Tag nach dem Militärputsch, in die friedlich demonstrierende Menge ballerte und zahlreiche Menschen erschoß. Von den Überlebenden wurden viele verhaftet. Dr.Win tun konnte in die amerikanische Botschaft flüchten. Aus Angst, er könnte ebenfalls verhaftet und gefoltert werden, verließ Dr.Win tun am 22.September 1988 Rangun und versteckte sich im Bergdschungel im Nordosten Birmas. Später gelangte er in ein Camp der Karen National Union (KNU). Die Karen, ein Bergvolk, führen schon seit 40 Jahren einen bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung in Rangun. Viele der in ihre Camps geflüchteten Studenten unterstützen den Unabhängigkeitskampf der Karen allerdings nicht. So auch Dr.Win tun.

Aus diesem Grunde und weil er den Kampf für Demokratie und Menschenrechte in Birma weiterführen will, kehrt er jetzt nach Rangun zurück. Die Frage, ob er der Militärregierung glaube, daß sie 1990 freie Wahlen durchführen wird, will er nicht beantworten. Statt dessen erklärt er, daß sich außer zwei Ärzten auch noch zwei Sicherheitsbeamte im Rote-Kreuz -Lager aufhalten. Seine Rückkehr nach Rangun geschehe aber völlig freiwillig, versichert der Arzt.

Freiwillig zurückkehren wollen nur die wenigsten der Flüchtlinge. Besonders diejenigen, die vor ihrer Flucht im Gefängnis gefoltert wurden, wollen unter keinen Umständen zurückkehren, solange das Militär herrscht. Für jeden Studenten, der der birmanischen Botschaft zugeführt wird, zahlt die birmanische Regierung 5.000 Bhat (ca. 500 Mark). Entsprechende Aufrufe an die thailändische Bevölkerung wurden überall veröffentlicht. Besonders für die Vorsitzenden der Studentengruppen bieten birmanische Geheimagenten, die längs der Grenze operieren, hohe Belohnungen an.

Der Beschluß des thailändischen Parlamentes von Mitte Januar, allen birmanischen Studenten bis zum 31.März 1989 Aufenthaltsrecht zu gewähren, nützt da wenig. Da die Studenten keine international anerkannten Flüchtlinge sind, keinerlei Papiere besitzen, sind sie Freiwild der örtlichen Polizei. Zur Zeit werden in Bangkok fast täglich birmanische Flüchtlinge verhaftet. Manche werden unter Androhung mehrmonatiger Haftstrafen auf den Polizeiwachen soweit gebracht, daß sie unterschreiben, daß sie „freiwillig“ nach Rangun zurückkehren. Von den 100 Studenten, die in einem Wohnhaus in Mae Sot leben, traut sich keiner mehr auf die Straße.

Mittlerweile spitzt sich die Lage auch an der thai -birmanischen Grenze zu. Die birmanische Armee setzt zur Großoffensive gegen die KNU an. Dafür requiriert sie Träger für Waffen und Proviant und Arbeitskräfte für den Straßenbau in den birmanischen Dörfern längs der Grenze. Hunderte von Männern zwischen 15 und 60 Jahren sind vor dem Kriegsdienst auf die thailändische Seite geflüchtet, um der Armee, die mit deutschen, schwedischen und russischen Waffen kämpft, zu entgehen. Auch die Drohung, sie würden nach der Rückkehr eingesperrt, kann sie nicht dazu bewegen, sich der Armee zu beugen.

Die Lage der Flüchtlinge scheint aussichtslos. In den Camps herrscht Hunger und Krankheit. Häufig wird von birmanischer Seite geschossen. Nur wenige Flüchtlinge sind an die harten Bedingungen im Bergdschungel gewöhnt. Viele leiden an Malaria, einige starben bereits an zerebraler Malaria.

Der Ruf der Studenten nach Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie findet wenig Gehör. Die einzige Honung der Studenten ist, daß die Militärregierung ohne die finanzielle Hilfe der Bundesrepublik Deutschland, Japans und der USA zusammenbricht.