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Frauen-Technologie-Zentrum ins DeTeWe-Werk

Schleswig-Holsteins Frauenministerium bereits für Qualifizierungsmaßnahme gewonnen / DeTeWe aber bisher wenig kooperationsbereit / Bisher beschäftigte Frauen sollen in Informatik, Büro- und Fertigungsorganisation sowie Computersprachen Grundkenntnisse erwerben / Rendsburger DeTeWe-Produktion veraltet  ■  Aus Hamburg Reiner Reichel

Die IG Metall Rendsburg hat am Wochenende ein Modell für das erste Frauen-Technologie-Zentrum der Bundesrepublik in Rendsburg/Schleswig-Holstein vorgestellt. Sie reagiert damit auf die Pläne der Deutschen Telefon Werke DeTeWe, ihr Werk in Rendsburg zum 30.Juni dieses Jahres zu schließen und 260 Beschäftigte, zwei Drittel davon Frauen, zu entlassen. Wenn die DeTeWe ihre Pläne in die Tat umsetzt, wovon auszugehen ist, ist dies ein schwerer Schlag für eine der strukturschwächsten Regionen Schleswig-Holsteins. Der Kreis Rendsburg leidet schon jetzt unter einer Arbeitslosenquote von 16,2 Prozent. „Es liegt wohl in der unternehmerischen Freiheit in diesem Land, daß man mir nichts, dir nichts ein Werk schließen kann, obwohl dies nicht notwendig wäre“, stellt Kai Petersen, Bevollmächtigter der IG Metall Rendsburg, fest. Und Schleswig-Holsteins Finanzministerin Heide Simonis, die zur Zeit noch nach Mitteln und Wegen sucht, das Unternehmen in Rendsburg zu halten, meint, DeTeWe müsse wohl an die im Grundgesetz beschriebene Sozialbindung des Eigentums erinnert werden. Das Gesamtunternehmen stehe jedenfalls mit seinen betriebswirtschaftlichen Eckdaten, Gewinn, Rentabilität und Liquidität, glänzend da.

Bei DeTeWe in Rendsburg werden mechanische Telefonvermittlungsanlagen, sogenannte EMD-Anlagen, gebaut, deren Technik im Zeitalter der Elektronik überholt ist. Die neuen digital arbeitenden Anlagen werden in Berlin gebaut. Eine Parallelproduktion in beiden Betrieben sei unrentabel, erklärte Firmensprecher Horst Roediger dazu. Dies gelte auch für die derzeit noch in Rendsburg produzierten Telefonapparate, die in Zukunft ausschließlich im Hauptwerk in Berlin gefertigt würden. Deshalb mußte der Betriebsrat bereits im vergangenen Jahr schweren Herzens dem Abbau von fast 200 Arbeitsplätzen zustimmen. Die restlichen Arbeitsplätze, so lautete seinerzeit die Absprache zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung, sollten durch zusätzliche Fremdfertigung erhalten bleiben, was nach Ansicht der Gewerkschaft nach wie vor ohne weiteres möglich wäre.

Wenn schon DeTeWe Rendsburg geschlossen werde, dann soll die Firma gefälligst für das geplante Frauen-Technologie -Zentrum zahlen, bringt IG-Metall-Mann Petersen die Forderungen des Betriebsrates auf den Punkt, „weil auch der Sozialplan als Trostpflaster für die Arbeitslosigkeit eine Menge Geld kostet und es gegen jeden Menschenverstand ist, dieses Geld nicht direkt in Weiterqualifizierungsmaßnahmen zu stecken“. Im Rahmen der Verhandlungen über einen Interessensausgleich will die Gewerkschaft ihr auf drei Säulen ruhendes Modell einer „Beschäftigungsinitiative Rendsburg“ durchsetzen. Dieses Modell sieht vor, daß die Firmen Ahlmann-Elektronik GmbH, wie gegenüber der IG Metall geäußert, 60 Männer und Frauen und die Auszubildenden übernimmt. Die zweite Säule bildet die Weiterbildungsgesellschaft DeTeWe Rendsburg e.V. Als Gründungsmitglieder will die Gewerkschaft unter anderem das Frauen- und das Sozialministerium Schleswig-Holsteins, die Stadt Rendsburg und das Arbeitsamt gewinnen.

Die Weiterbildungsgesellschaft soll für alle, also auch für Männer, offen sein und sich ihrerseits an der Frauen -Technologie-Zentrum GmbH beteiligen. Im einzelnen sieht der Gewerkschaftsplan in der Frühphase intensive Beratungsgespräche mit den größtenteils in der Montage beschäftigten Frauen vor. Eine daran anschließende Orientierungsphase dient der Vorbereitung auf die Fachkurse. Die Lehrpläne der Fachkurse sehen die Vermittlung von Grundkenntnissen der Informatik, der Büro- und Fertigungsorganisation und von Computersprachen, ergänzt durch Praktika in den Partnerbetrieben des Frauen -Technologie-Zentrums, vor.

Aus dem Frauenministerium in Kiel wurde bereits signalisiert, man werde beim Finanz- und Wirtschaftsministerium für die Idee werben und helfen, Finanzmittel des Landes zu akquirieren. Positiv steht auch Rolf Teucher, Bürgermeister von Rendsburg, zu den Plänen. Er kann sich nicht vorstellen, „daß sich die Stadt von einem Konzept ausschließt, wenn es zum Erhalt der Arbeitsplätze beiträgt“. Nur die DeTeWe, die den Part des zweiten Gesellschafters in der Frauen-Technologie-Zentrum GmbH übernehmen soll, zeigt sich wenig kooperationsbereit. Bevor die IG Metall ihren Plan überhaupt auf den Verhandlungstisch legen konnte, brach die Firma die Gespräche über einen Interessensausgleich am vergangenen Donnerstag ab. Man werde die Einigungsstelle anrufen, denn man sei nicht bereit, den „Schlagabtausch mit der IG Metall in der Öffentlichkeit zu führen“, erklärte Firmensprecher Roediger.

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