Wir werden für das Buch keine Reklame machen

Muslims in Berlin und dem Bundesgebiet distanzieren sich von Khomeinis Mordaufruf / „Wir sind aber auch traurig über das Buch“ / Der Vorsitzende der deutschen Muslims in Berlin: „Khomeini spricht nicht für die Muslims insgesamt“  ■  Von Jürgen Gottschlich

Berlin (taz) - „Wir denken nicht daran, für dieses Buch auch noch Reklame zu machen“. Nail Dural, Präsident der islamischen Föderation in Berlin, ein Zusammenschluß mehrerer Moscheen und islamischer Vereine türkischer Muslims, teilt die weltweite Aufregung um die Satanischen Verse Salman Rushdies bislang nicht. „Es gibt doch gar keine Aufregung. Die ganze Angelegenheit wird von westlichen Politikern und Medien doch aufgebauscht. Es gibt über eine Milliarde Moslems auf der Welt, die Proteste kommen von einer verschwindenden Minderheit“.

Khomeinis Mordaufruf sei für die Moslems in Berlin „irrelevant und völlig überzogen“. Das Buch Rushdies sei ja nicht das erste Pamphlet gegen den Islam. „Es hat von verschiedenen Orientalisten Bücher gegeben, in denen der Islam verdammt wurde. Wir haben uns wissenschaftlich damit auseinandergesetzt und diese Bücher widerlegt.“ „Dies“, so Dural, „ist die angemessene Weise, auf Schmähschriften zu reagieren.“ Das Kopfgeld für die Mörder Rusdhies hätte Khomeini für die Publikation wissentschaftlicher Arbeiten über den Islam verwenden sollen. „Das wäre die richtige Antwort gewesen.“

Für Dural hat die Affäre um das Rushdie-Buch zwei Ebenen. „Die Zahl der Moslems in den europäischen Großstädten“, so doziert er, „hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Offenbar verängstigt diese Entwicklung Politiker, Kirchenfürsten und Medienleute, die Khomeinis Wüten nun begierig zur Denunziation der Moslems aufgreifen.“ Die Reaktion Khomeinis ist nach Meinung Durals vor allem der innenpolitischen Situation im Iran geschuldet.

„Khomeini versucht von eigenen Schwierigkeiten abzulenken, das ist alles. Den Sunniten hat er sowieso nichts zu sagen.“ Eine Gefahr für das innenpolitische Klima in der Bundesrepublik sieht er dadurch nicht. „Die 'Republikaner‘ sind euer, nicht unser Problem. Sie sind eine Schande für die deutsche Gesellschaft.“

Der Vorsitzende der deutschen Muslims in Berlin, Mohammed Herzog, ist da weit weniger gelassen. „Was Khomeini macht, ist eine Katastrophe. Es ist wichtig klarzustellen, daß er nicht für die Muslims insgesamt spricht.“ Im Gegensatz zu Dural ist Herzog auch dafür, daß das Buch in der BRD veröffentlicht wird. „Ich hoffe, daß das Buch rauskommt, damit die Diskussion versachlicht wird.“ Er lehne den Inhalt, soweit er ihm bekannt ist, ab, aber schließlich „kann jeder schreiben, was er will“. Außerdem habe Rushdie sich ja entschuldigt.

Auch der iranische Lyriker Cyrus Atabay setzt sich dafür ein, daß das Buch Rushdies in deutsch erscheint. „Wir sollten uns von den Terrordrohungen Khomeinis, die von jedem Humanismus weit enfernt sind, nicht einschüchtern lassen.“ Die Bedenken des Verlags Kiepenheuer&Witsch überzeugen ihn nicht. „Die Leute in Persien wissen, daß die Radikalität nicht so ernst genommen wird, wie man das hier meint“, fügt Atabay erklärend hinzu. Auch er verweist auf die innenpolitische Situation im Iran. „Es gibt eine gemäßigte Strömung, die jetzt in die Enge getrieben ist, weil sie nicht länger als Mörder erscheinen will.“

Selbst die Islamischen Kulturzentren des radikalsten türkischen Fundamentalisten Celalettin Kaplan, der vor einiger Zeit als „Khomeini von Köln“ durch die Gazetten geisterte, haben mit dem Marschbefehl aus Teheran arge Schwierigkeiten. „Den Aufruf zum Mord an Rushdie akzeptieren wir nicht“, teilte ein Sprecher des Zentrums der taz mit, „das ist ein politisch motivierter Prozeß im Iran.“

Gleichwohl sei das Buch eine schwere Beleidigung für die Moslems, denen der Koran „mit Punkt und Komma“ heilig ist. Leute, die solche Sachen schreiben, müßten schon mit Protesten rechnen. „Wir hoffen“, so Kaplans Sprecher, „daß uns das Buch in der Bundesrepublik erspart beibt.“