Ich steh auf Berlin

■ „Dicke Luft in Berlin“ (ZDF) und „Kultur live“ (N3) fischten am Dienstag in seichten Gewässern

Zwischen den Statements des sogenannten Volkes, des Mannes und der Frau auf der Straße in seinen zufälligen Exemplaren, folgte die sogenannte Reportage über die Ursachen und Wirkungen des Berliner Wahlergebnisses zu passenden Bildern der Männer vom Bau gleich neben dem taz-Residium in der Wattstraße. Die Bilder verschwiegen die Umgebung, sie zeigten nicht die nebenstehenden, gleichsam zufällig stehengebliebenen verkommenen Altbauten und den entsprechenden Neubaukomplex für den totalsanierten Wedding. Dafür kamen die Männer im Bauwagen zu Wort. Dort, so suggerierten die Bilder, gebe es eine Trennung zwischen Tisch und Katzentisch, zwischen deutschen und türkischen Arbeitern, die für den Arbeitsbereich bestritten wurde, doch konstatierte das Schlußbild der Sequenz: Nach Feierabend gehen die verschiedenen Nationalitäten getrennte Wege. Als wenn deutsche Arbeitnehmer Händchen haltend den Arbeitsplatz verließen! Es zeugt von der Unwissenheit oder dem Unwillen der Autoren, der Situation in Berlin auf den Grund zu gehen, daß ausgerechnet das Klischee von den Bezirken mit überdurchschnittlichem Ausländeranteil herhalten mußte, um die Ausländerfeindlichkeit zu belegen. Die Ängste derjenigen zu bebildern, die für Integration stehen - wie der Fußballverein Türkimspor -, verdeutlichte die ohnehin bekannte Furcht vor Fremdenhass. Doch blieb es den Bildern von Obdachlosen überlassen, deren Zahl in Berlin auf schätzungsweise 10.000 gestiegen ist, um mehr als zufällig zum Schluß zu kommen, daß der Senat, der stets das Gute will, doch verantwortlich ist für die Misere in seinem Bemühen, die Stadt attraktiv zu machen, ohne dafür zu sorgen, daß die Weltoffenheit auch ein Zuhause und einen Arbeitsplatz bekommt. Einen Sündenbock zu suchen in undurchschaubaren, komplexen Zusammenhängen war wohl eher zufällig der Reportage letzter Schluß, die nicht das hielt was sie versprochen hatte.

Das trifft fast in gleicher Weise zu auf die Unterhaltung zwischen Kultursenator Hassemer, Ditmar Staffelt, jetziger kulturpolitischer Sprecher der SPD, und Sabine Weißler, zukünftige kulturpolitische Sprecherin der AL, die von Moderator Wilfried Rott zur „rot-grünen Kulturpolitik“ unter dem Stichwort „Raus aus der Oper? Rein ins Vergnügen?“ befragt wurden. Es zeigte sich schnell, daß es nur um Akzentverschiebungen im Kulturhaushalt geht, der nur zwei Prozent des Gesamthaushalts ausmacht, um lumpige 10-20 Millionen Märker. Bald war von der etablierten Kultur die Rede, von Karajan und der Deutschen Oper, vom Historischen Museum, die sich in Für und Wider nicht recht konkretisieren lassen. Und Hassemer hatte wieder einmal die besseren Karten, als er sich auf die Seite der Künstler schlug, deren Förderung er verfünffacht hat, ohne den etablierten Künstler etwas zu nehmen. Es gab kaum etwas Neues zu hören abgesehen von den Bestätigungen von Seiten der SPD, den großen Kulturinstitutionen nichts wegzunehmen, im Gesamthaushalt allerdings Verschiebungen vorzunehmen, um die Steigerung des Kulturetats beizubehalten. Wenn der Moderator doch nur Beispiele gewählt hätte, wie sich Kultur im Großen und Kleinen konkretisiert, dann hätte man über Kultur reden können. Eigentlich müßte Herr Hassemer froh sein über den Wahlausgang, denn die Plastik von Wolf Vostell auf dem Rathenauplatz, die er gerne dort stehenlassen wollte, hat durch den Ausgang der Bezirksamtswahlen die Chance, dort stehen zu bleiben, weil die CDU dort ihre Mehrheit verloren hat. SPD und AL werden schmerzhaft lernen müssen, so bleibt nach der Unterhaltung zu befürchten, daß der Umgang mit Künstlern sensiblerer Umgangsformen bedarf als unter Genossen und Konsorten.

Qpferdach