: Warnung: bunt & ordentlich
■ 9. Bremer Blumenschau noch bis zum 5. März in der Stadthalle / Blumenrabatten auf das Akkurateste / Empfehlung statt des primeligen Allerleis: Nix wie raus
Gehen Sie bloß nicht hin! Und wenn Sie doch gehen, lassen Sie sich nicht gleich von den kamera-und videobewehrten Herren in Begleitung ihrer Ehefrauen und mutmaßlich gemeinsamer Kinder irritieren: Es geht nicht um eine Foto -Ausstellung, sondern um die 9. Bremer Blumenschau, und die Herren-Massen sind das Publikum und wollen allesamt frisch ausgebrochene Bremer „Frühling-Blumen-Freude“ (das ist das
sinnfällige Motto) in Farbe auf Zelluloid und Glotze bannen. Fairerweise muß gesagt werden: Die meisten BesucherInnen scheinen die 12 Mark Eintritt nicht zu reuen.
Erstaunlicherweise. Denn was da in fünf Stadthallen auf der Bürgerweide präsentiert wird, läßt bestenfalls eine böswillige Charakterstudie der KleingärtnerIn zu. Die nämlich, das muß man der Auswahl und dem Arrangement der Stände entnehmen, trinkt alle zehn Schritte Wein oder Bier, beißt in fettige Würste, benötigt - viel dringender als Sämlinge, Frühbeete oder Heckenscheren - ein Sortiment aus Staubsaugern, Nähmaschinen, gußeisernen Pfannen, nichts dringender als die Mitgliedschaft im ADAC und in Lesezirkeln, sucht Heimorgeln, Bügeleisen, Strickmaschinen, Fliesenleger-Werkzeug und Wandteppiche, auf die allerlei Vögel vor blutroter Abensonne geknüpft sind.
Ging es Ihnen um den Frühling, um Blütenmeer und Blumenpracht, pralle Knospen und duftende Rabatten? Natürlich hat man an Primeln und Azaleen nicht gespart, Tulpen und Erika, auch blühende Sträucher und ganze Bäume hergekarrt und in eisenbahnschwellenschöne Container
gepflanzt. Nach dem Prinzip: schön bunt und schön ordentlich. Peinlich genau entweder in Kreisen oder Dreiecken ausgerichtet oder ebenso genau gleichmäßig gestreut fristen schon fahle oder noch frische Primeln in weiß, rot, blau, rosa und gelb ihr Dasein - neben lila und weißen Erika und unter immergrünen Zypressen. Alles sauber, sauber auf frisch geharktem, torfigem Boden, jedes Pflänzchen hat exakt den gleichen Abstand zur Nachbarin.
In diesem deprimierenden Allerlei gehen die lohnenden Kompostier-Tips des Recycling-Hofs ebenso unter wie der BUND -Specht-Stand in der allerletzten Ecke mit Bröschüren zu Bio -Pflanzenschutz und grünen Dächern. Menschen schieben sich mit Bonschentüten in endloser Schlange vorwärts. Die Luft ist warm und verbraucht. Staus gibt es vor dem Meerwasser -Aquarium und am Stand der Küchenschnitzler-Vorführerin, die ungeheuer kunstfertig Petersilie kleinradelt und Radieschen und Orangen in schmucke Sonnen verwandelt. Auch der 'Verband der Gartenfreunde‘ kann seinen Hang zur nützlichkeitsverpflichteten Akkuratesse nicht leugnen. Hochgebunden stehn je fünf Tulpen stramm, eine Hecke aus abge
schnittenen Zweigen und Ästen demonstriert, eigentlich schön, Lebensraum-Chancen für „Garten-Nützlinge“ wie Singvögel oder Igel.
Vor einer ganzen Reihe Bremer Hauseingänge aus Pappe prunken Vorgärten-Vorschläge: Buchsbaum-Kugeln und Tulpen in Reih‘ und Glied, dazwischen Vogeltränke und ein Folien -Teich. Logischer Höhepunkt der Reihe: eine Werbung für Grabpflege, die den Grabstein, die Begonien-Rabatte und die steinerne Einfassung hübsch rechtwinkling ausrichtet.
Zugegeben: Halle 1 ist ein Gag. Da steht der Bremer Bahnhof mit bremischen Häuserzeilen fast zum Verwechseln an einem Binnensee mit richtigem Segelboot, das Publikum lustwandelt wie durch Venedig, ein richtiger Wasserfall stürzt tribünenabwärts. Hier endlich wurde die Eins-rechts-eins -links-Logik mal verlassen, gibt es ganze Flächen nur in weiß, spielerisch mit Wuchshöhen und Blütenformen gegliedert. Wenn Ihnen das 12 Mark wert ist: Nichts wie hin. Im Bürgerpark um die Ecke gibt es Vogelstimmen life, blühende Büsche und einen herrlichen Duft nach Frühling. Umsonst und draußen. Susanne Paa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen