Mit Nachttaxi und Umweltkarte

■ Nachttaxi, ein Frauenkulturhaus und Quotierung im öffentlichen Dienst - das sind die Ziele der AL-Frauenpolitikerinnen in den Verhandlungen um Rot-Grün in Berlin. Aber bislang spielte Frauenpolitik nur eine Nebenrolle

Was wollen eigentlich die Frauen? Diese Frage stellten wir uns, als in den vergangenen Wochen die Koalitionsgespräche für Rot-Grün in Berlin Schlagzeilen machten. Man erregte sich über die Berlin-Förderung oder ereiferte sich über das staatliche Gewaltmonopol - und Frauenpolitik blieb immer schön in der Versenkung.

Wir sprachen mit den ALerinnen Helga Hentschel und Lydia Hohenberger über die konkreten politischen Vorstellungen, die sie in einer rot-grünen Koalition durchsetzen wollen. Helga Hentschel war Abgeordnete für Frauenpolitik in der vergangenen Legislaturperiode, Lydia Hohenberger ist ihre Nachfolgerin in der neuen Fraktion. Beide sind Mitglieder in der Fachkommission Frauenpolitik bei den Koalitionsverhandlungen.

taz: Bislang spielt Frauenpolitik bei den Verhandlungen um eine rot-grüne Koalition kaum eine Rolle. Wie wollt Ihr das ändern?

Hentschel: Ich ärgere mich sehr über diese Verhandlungskommission der AL, der zur Frauenpolitik bislang nichts anderes einfiel, als einen quotierten Senat zu fordern. Mich ärgert auch, daß weder in der Verhandlungskommission der AL noch in derjenigen der SPD die Leute sitzen, die in den letzten Jahren Frauenpolitik gemacht haben.

In ihrem Wahlprogramm fordert die AL die 50-Prozent -Quotierung aller Arbeits- und Ausbildungsplätze. Bekommen wir die jetzt, wenn es zu einer rot-grünen Koalition kommt?

Hentschel: Nein. In die privaten Betriebe können wir mit Landesrecht nicht hineinregieren. Was man faktisch machen kann auf Landesebene, sind drei Sachen: Quotierung im öffentlichen Dienst und in den Eigenbetrieben, und man kann die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Subventionen daran knüpfen, daß in diesen Firmen Frauenförderung gemacht wird.

Gibt es mit der SPD darüber Einigkeit?

Hohenberger: Über letzteres ja. Was jedoch den Frauenförderplan für den öffentlichen Dienst betrifft, hat die SPD bislang keine Vorschläge unterbreitet.

Die Quote von 50 Prozent ist ein Ziel, zu dem es noch vieler Schritte bedarf. Welche konkreten Vorschläge macht Ihr dazu?

Hohenberger: Die Forderung nach Quotierung muß eingebunden sein in ein Frauenförderprogramm. Zum Beispiel müssen alle Altersgrenzen für Fort- und Weiterbildung für Frauen wegfallen. Es müssen auch Weiterbildungsmaßnahmen speziell für Frauen angeboten werden, um sie für einen Aufstieg zu qualifizieren.

Wie haben wir uns die Realisierung konkret vorzustellen?

Hentschel: Anhand der verschiedenen Vergütungsgruppen im öffentlichen Dienst wird festgelegt, in welcher Zeit in welchem Maße der Frauenanteil erhöht werden soll. Darüber gibt es eine Kontrolle und eine jährliche Berichtspflicht. Es muß also begründet werden, warum es nicht geklappt hat, falls es nicht geklappt hat. Die Kontrollinstanz ist die Landesfrauenbeauftragte, die als juristische Grundlage ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene hat.

Was soll in diesem Berliner Antidiskriminierungsgesetz außer der Quote noch drinstehen?

Hentschel: Frauenorganisationen sollen das Verbandsklagerecht erhalten. Auch die Frauenbeauftragte soll ein eigenständiges Klagerecht haben, das heißt, sie kann den Fall einer einzelnen Frau als exemplarisch aufgreifen und stellvertretend für diese klagen. Auch bei der SPD gibt es die Vorstellung, daß solch ein Gesetz über den Bereich der Arbeitswelt hinausgehen muß und auch die Quotierung von öffentlichen Gremien vorschreibt, beispielsweise des Rundfunkrats oder des Lottobeirats.

Viel, häufig trockene Juristerei kommt da auf uns zu. Was wollen die ALerinnen denn in nächster Zeit an greifbarer Politik durchsetzen?

Hentschel: Wir wollen das Nachttaxi haben. Mit drei DM Eigenbeteiligung, also quasi zum BVG-Tarif. Wir haben eine Modellrechnung vorgelegt, wie das zu finanzieren ist. Von der ursprünglichen Vorstellung, daß jede Frau zu jeder Nachtzeit ein Taxi benutzen kann, mußten wir allerdings runter.

Welche Einschränkung macht Ihr da?

Hentschel: Wir wollen das Nachttaxi daran knüpfen, daß man eine BVG-Umweltkarte erwirbt. Jede Frau mit diesem Ticket hat Anspruch auf fünf Nachttaxifahrten zu drei DM Eigenbeteiligung. 40 Millionen pro Jahr wird das dann immer noch kosten.

Ist es für Euch denn eine positive Vision, wenn Frauen nachts überwiegend im Taxi unterwegs sind?

Hohenberger: Nein, deshalb haben wir auch dieses Kontingent von fünf Fahrten.

Deswegen? Das hat doch eher finanzielle Gründe?

Hohenberger: Auch das. Aber mit dieser Verbindung von Umweltkarte und Taxicoupon streben wir auch eine Verknüpfung von verkehrspolitischen und frauenpolitischen Vorstellungen der Alternativen Liste an.

Trotzdem bleibt die Frage, ob man die Taxi-Innung subventioniert oder den öffentlichen Nahverkehr so ausbaut, daß er auch nachts für Frauen attraktiv ist.

Hentschel: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist keine kurzfristige Sache. Selbst wenn wir den S-Bahn-Ring sofort in Betrieb nehmen wollen, dauert das mindestens zwei Jahre. Selbstverständlich werden die öffentlichen Verkehrsmittel durch attraktivere Angebote auch voller, und das subjektive Sicherheitsgefühl von Frauen erhöht sich, wenn die Straßen belebter sind. Es geht beim Nachttaxi nie um objektive Gefährdung, sondern um die Angst von Frauen, überhaupt rauszugehen und wieder nach Hause zu kommen.

Eine Ausweitung des Autoverkehrs mit den bekannten Folgen Krach und Gestank bleibt das Nachttaxi trotzdem.

Hentschel: Entweder macht man eine verkehrspolitische Debatte mit der Frage, wie man das Auto komplett zurückdrängen kann, oder man kümmert sich um das Problem Gewalt gegen Frauen und der Angst von Frauen, nachts überhaupt die Straße zu benutzen. Das sind völlig verschiedene Ansätze. Es gibt viele Frauen, die gehen nachts keinen Meter aus dem Haus. Und je nachdem wo sie wohnen, fällt es auch nicht schwer, das nachzuvollziehen.

Sind die 40 Millionen für das Nachttaxi für die AL ein koalitionspolitisches Essential?

Hentschel: Ich halte es für einen sehr wichtigen Bereich der Frauenpolitik. Aber wir wissen alle, daß sehr viel sehr Dringendes in dieser Stadt ansteht und daß der finanzielle Spielraum im nächsten Jahr nicht groß sein wird. Dennoch muß versucht werden, ein realistisches Konzept durchzusetzen.

Das Thema Gewalt gegen Frauen ist ein Schwerpunkt des Frauenbereichs der AL. Welche konkrete Politik wollt Ihr in diesem Bereich machen?

Hentschel: Neben dem Nachttaxi wollen wir vor allem die Projekte absichern, die im Bereich Gewalt gegen Frauen seit Jahren arbeiten. Das sind die Frauenhäuser, ein geplantes Mädchenhaus und das Projekt Wildwasser. Wir wollen sie dauerhaft anbinden im Haushalt, damit sie eine dauerhafte Finanzierung haben und eine bessere Ausstattung bekommen.

Eine Anzeigenkampagne gegen Gewalt gegen Frauen, vergleichbar mit der Initiative in Hessen unter der grünen Staatssekretärin Marita Haibach soll es nicht geben?

Hohenberger: Wenn, dann eine bessere.

Bei all Euren Vorschlägen vermisse ich eine Politik, die mehr auf die Köpfe, auf die politische Kultur in der Stadt zielt.

Hentschel: Das ist doch eine Frage, wie wir die Politik in den nächsten vier Jahren ausgestalten. Eine Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen sehe ich da nicht als Signal. Wir wollen den Frauenhäusern einen eigenen Etat für Öffentlichkeitsarbeit geben. Sie leisten die Arbeit, dann sollen sie auch die Öffentlichkeit aufklären und - wenn sie wollen - eine Kampagne machen. Ich halte wenig davon, wie das bislang gelaufen ist: Der Senat brachte eine Broschüre heraus und heftete sich die Arbeit dieser Frauen als eigenen Verdienst ans Revers. Ich möchte nicht auf diese Art und Weise deren Arbeit kassieren.

Was wollt Ihr im kulturellen Bereich? Berlin ist doch bekannt als Stadt der Frauenbewegung?

Hentschel: Räume für Frauen, ein Kulturhaus für Frauen.

Den vielzitierten Frauensalon?

Hentschel: Nein, nicht reduziert auf einen Salon. Ein Kulturhaus mit vielen Funktionen: für Ausstellungen, Lesungen, Feiern, mit einem Archiv zur Frauenkunst, mit Räumen für Künstlerinnen und Räumen für Theater und Musik all das, was uns die ganze Zeit fehlt. Wir finden ja eigentlich nie schöne Räume, wo man gerne hingeht zu einer Veranstaltung.

Interview: Helga Lukoschat und Gunhild Schölle