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Wenig Unterstützung für Berber-Demonstration

Nur rund 80 TeilnehmerInnen auf der „Ersten bundesdeutschen Berberdemo“ im Konsummekka Frankfurt / Kundgebung gegen SpekulantInnentum und für mehr Sozialwohnungen und Heimplätze stieß auch bei den betroffenen BerberInnen auf schwache Resonanz  ■  Aus Frankfurt Antje Friedrich

Schauplatz: „Zeil“, Höhe Hauptwache - Frankfurts Konsummekka. Ein paar ParteiaktivistInnen stehen unschlüssig herum, schielen in die intime Runde und halten sich verunsichert an ihren Transparenten fest. Dazwischen einige Obdachlose - Berber, wie sie sich selber nennen herumwuselnde Presseleute und das Heer der mit Plasiktüten durch die Fußgängerzone hetzenden EinkäuferInnen. So sah am Samstag die ursprünglich als „erste bundesdeutsche Berberdemo“ selbstbewußt angekündigte Veranstaltung aus.

Um den Bau von mehr Sozialwohnungen und die Schaffung zusätzlicher Heimplätze, gegen SpekulantInnentum sowie die Zweckentfremdung von Wohnraum soll es gehen. Der Demonstrationsaufruf wurde unter anderen von Frankfurter SPD -, DKP-, Falken- und SDAJ-Gruppen unterstützt. Sie alle riefen, aber die Zahl derer, die kam und die man gemeinhin als „Betroffene“ bezeichnet - allein in Frankfurt zählt die Statistik 4.500 Wohnungslose - war mit 80 DemonstrantInnen immer noch großzügig geschätzt.

Die VertreterInnen der Parteien entschuldigten sich betreten mit „der anderen Demo, die an diesem Wochenende noch...“ und der „Bezirkskonferenz, die ganz überraschend...“. Die mangelnde Beteiligung von UnterstützerInnen macht stutzig. Schließlich schossen in den letzten Wochen - auch im Zuge des StudentInnenstreiks Initiativen aus dem Boden, die sich gegen die Zerstörung von Wohnraum engagieren.

Noch geringer war die Zahl der demonstrationswilligen Berber. Am Ende der knapp 500 Meter langen Demoroute hatten sie sich auf vier bis fünf reduziert. Kurt Schuba, lange Zeit selbst Obdachloser und nun Vorsitzender des „Förderkreises Obdachlosen- und Nichtseßhaftenhilfe“, nannte mehrere Gründe für das geringe Echo bei seiner Klientel: Von der erwähnten antifaschistischen Demonstration in Langen bis zur Befürchtung, „von den Leuten in der Stadt angemacht zu werden“.

Mit ein Grund war aber auch ein Artikel in der 'Frankfurter Rundschau‘ vom selben Tag. Dort wurde berichtet, Kurt Schuba habe Spendengelder auf die Seite geräumt. Neben Hans-Joachim Meurer, der sich seit Jahren mit dem Problem der Frankfurter Obdachlosen beschäftigt, will auch der stellvertretende Abteilungsleiter beim Ordnungsamt „Ungereimtes“ entdeckt haben. Schuba mochte die abschreckende Wirkung dieser Vorwürfe auf die Beteiligung der Demonstration nicht leugnen, wies aber die Vorwürfe zurück.

Noch während Schuba per Megaphon über „das ganze Gemache und Getue von der sogenannten sozialpädagogischen Betreuung bis hin zum reaktionären Geist der Selbsthilfe, wie sie von seiten der CDU/FDP betrieben wird“, wettert, sitzen die ersten Berber wieder auf den Bänken und spielen Mundharmonika.

Anlaufpunkt in Kassel

Die Einweihung einer Tagesaufenthaltsstätte für Alleinstehende, Wohnungslose und Haftentlassene (Berber) feierte der „Verein Soziale Hilfe e.V.“ in der vergangenen Woche. Mit der fertiggestellten Aufenthaltstätte wurden nun zusätzlich Möglichkeiten zum Aufenthalt und Kochen, Wäschewaschen und Duschen geschaffen. Der Anlaufpunkt wurde nach Auskunft der SozialarbeiterInnen von den Berbern „gut angenommen“.

Trotz der Freude über die Eröffnung dieser in Hessen einmaligen Einrichtung beklagten die MitarbeiterInnen mangelnde finanzielle Mittel. Das Geld reiche nicht einmal, um die Räume am Wochenende offenzuhalten. Sozialarbeiter Walter Scharenberg dazu: „Obdachlosigkeit hört mit dem Wochenende aber nicht auf, und aufgrund der Wohnungsnot ist es inzwischen fast unmöglich geworden, überhaupt noch irgendetwas zu vermitteln“.

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