: Laubenpieper wollen Wohnungsnot lindern
■ Der Vorsitzende des Schmargendorfer Kleingartenvereins Rainer Klemke ist für ein Dauerwohnrecht in Gartenlauben / Freiwerdende Stadtwohnungen könnten weitervermietet werden / Lauben müßten „Mindeststandard“ besitzen
Auch die Berliner Laubenpieper machen sich ihre Gedanken zur Wohnungsnot. Wenn es nach dem Vorsitzenden des Schmargendorfer Kleingartenvereins Rainer E. Klemke ginge, wäre das Problem schon so gut wie gelöst: Die LaubenbesitzerInnen sollen in ihren Gartenhäusern ganz wohnen bleiben dürfen. Laut Bundeskleingartengesetz ist dies bisher verboten. Die Stadtwohnungen der FreizeitgärtnerInnen, laut Klemke mindestens 3.000, wären dann auf dem Wohnungsmarkt frei verfügbar. Wir haben den Kolonienvertreter gefragt, wie er sich das „Leben auf dem Lande“ konkret vorstellt.
taz: Herr Klemke, Sie wollen die Wohnungsnot lindern, indem die Kleingärtner, die das wollen, ganzjährig in ihren Lauben wohnen dürfen, und dafür ihre Stadtwohnungen vermieten. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?
Rainer E. Klemke: Der bisherige Senat sieht ja die Vernichtung großer Kleingartenflächen vor, zugunsten von Wohnungsbau. Ich aber sage mir, warum soll man bestehende Grünanlagen vernichten, um dann für teures Geld unbezahlbare Wohnungen zu errichten, wenn es eine „innere“ Reserve gibt, die man mobilisieren könnte. Aus meiner Erfahrung als Kleingartenvereinsvorsitzender weiß ich, daß es eine ganze Reihe von Berlinern gibt, die bereit und in der Lage sind, in ihre Laube zu ziehen, wenn sie's denn dürften.
Sind andere Kleingärtnervereine denn auch Ihrer Meinung?
Ja, es gibt eine Reihe von Leuten, gewachsene Kleingärtner, die bereit sind, da raus zu ziehen und ihre Stadtwohnung aufzugeben. Es gibt ja auch etliche hundert Dauerbewohner, die noch aus Kriegs- und Nachkriegszeiten das Recht haben, draußen zu wohnen. Das erlischt aber, wenn sie die Parzelle aufgeben, aus welchen Gründen auch immer. Dieser Wohnraumstatus sollte für all diejenigen verlängert werden, die ihre Stadtwohnung dafür freimachen, die mindestens fünf Jahre auf der Parzelle wohnen, und wo die Lauben eine bestimmte Mindestsanitärausstattung haben, also Auffanggrube, Wasserzulieferung und Stromversorgung. Außerdem müßten die Lauben natürlich auch winterfest sein.
Diese Mindestausstattung haben ja viele Lauben schon, weil ihre Bewohner, obwohl verboten, den größten Teil des Jahres dort verbringen. Es geht Ihnen also vor allem um die Legalisierung dieses Dauerwohnens?
Ja, durch die Wohnungsnot besteht ja jetzt schon ein großer „Mißbrauch“ der Lauben, indem dort viele wohnen, weil sie das müssen. Vor allem auch Kinder von Kleingärtnern. Ich selbst habe so einen Fall in der Kolonie. Wenn ich die Kinder von den Leuten rausschmeiße, dann sitzen die am Bahnhof Zoo. Die haben seit Jahren versucht, 'ne Wohnung zu finden. Wenn man solche Wohnverhältnisse legalisieren würde, könnten auch zusätzliche Einnahmen entstehen, die ich vorsichtig mit 4,4 Millionen Mark angesetzt habe. Diese Mittel könnte man einsetzen, um die Kleingartenanlagen noch mehr der Öffentlichkeit zu erschließen, die Wege auszubauen, Spielplätze zu bauen usw.
Nun gibt es ja dieses Bundeskleingartengesetz, das langfristiges Wohnen in Gartenhäusern verbietet.
Für mich gilt: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Außerdem ist die Frage, ob man für Berlin nicht eine Ausnahmegenehmigung durchsetzt, meinetwegen auch nur solange, wie diese Wohnungsnot besteht. Leute, die eine Wohnung aufgeben, müßten diese begrenzt für Aussiedler oder Studenten zur Verfügung stellen, bis die dann was anderes finden. Denn die Laubenpieper haben ja in der Regel relativ preiswerte und kleine Wohnungen, weil sie sowieso das ganze Jahr auf der Laube sind.
Wahrscheinlich würden die Kolonien ja auch mehr belebt, so daß es weniger Einbrüche gäbe.
Ja, das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt. Die Einbrüche steigen von Jahr zu Jahr an. Die Gartenkolonien sind ja quadratkilometerweise leer, und die größte Sicherheit hatten wir bisher durch die illegalen Dauerbewohner.
Würden Sie denn selber gerne in einer Laube wohnen?
Nö. Ich habe aber die Erfahrung, daß man das sehr gut kann.
Interview: cb
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