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Der letzte Auftritt des Uwe Barschel

■ Dokumentarisches Fernsehspiel „Die Staatskanzlei“ / Beginn der Dreharbeiten in Düsseldorf

Die Fabrikhalle liegt im Grenzland zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Die stählernen Pfeiler, von denen Farbe abblättert, die einmal grün gewesen sein muß, und die stickige Luft, die nach Maschinenöl und Gummi riecht; das ist das anscheinend unwirkliche, aber doch so reale Jetzt einer verlassenen Industrieanlage.

In der Mitte des Raumes stehen - noch unwirklicher in diesem Szenario des Verfalls - die polierten Möbel der Kieler Staatskanzlei. Die Ledersessel. Die Glocke des Vorsitzenden. Die Tischmikrophone. Auch sie sind echt, geradezu authentisch, wie der Regisseur Heinrich Breloer immer wieder auf den Coup hinweist, das Original-Büro von Reiner Pfeiffer und die Sessel des Untersuchungsausschusses für die Dreharbeiten zu dem dokumentarischen Fernsehspiel Die Staatskanzlei nach Düsseldorf geschafft zu haben. Das Leder also, aus dem man den Schweiß der dauernd tagenden Parlamentarier wahrzunehmen scheint, läge nicht der Geruch der verwitterten Halle über allem.

Was ist ein Filmheld? Ein Politiker, der eine filmreife Leistung gezeigt hat und seinen Abgang von der politischen Bühne im Tod noch zu einer tragischen Rolle steigerte? Heinrich Breloers Film, eine Koproduktion des WDR und NDR, hält sich strikt an das Drehbuch, das vor eineinhalb Jahren in Schleswig-Holstein in täglich neuen Plots zum Waterkantgate kulminierte.

Erst das Spiel mit der Politik und nun die Politik als Spiel. Heinrich Breloer interessiert in erster Linie die präzise Schilderung des Netzes von Abhängigkeiten, politischen Freundschaften und Intrigen, denen er in Interviews mit Freya Barschel und Mitgliedern des Landtages nachgegangen ist. Neue Nahrung für die Spekulation über Mord oder Selbstmord soll der Film - der am 13. September, dem Jahrestag der Landtagswahl, gezeigt werden soll - nicht geben; auch die Spielszene im Ausschuß ist unverfälscht wiedergegeben: „Jedes Wort, was hier gesprochen wird, wurde so in Kiel gesagt“, versichert Heinrich Breloer. Die Umsetzung mit Schauspielern soll nur stärker herausheben, wie brisant die Aussagen und die Arbeit dieses parlamentarischen Gremiums gewesen sind. Denn für Breloer folgte „auf die größte politische Katastrophe der BRD die Sternstunde der Demokratie in diesem wunderbaren Untersuchungsausschuß“.

Jetzt hat Uwe Barschel seinen vorerst letzten Auftritt. Aber diesmal spielt er nicht die Hauptrolle, und Heinrich Breloer verzichtet auch auf die spektakuläre Szene im Bad des Genfer Hotels. Wenn Uwe Barschel langsam den Lichtkegel des Scheinwerfers verläßt und im Dunkel der Halle verschwindet, wird er vielleicht an ein paar Pfützen vorbeigehen, doch die stammen von undichten Stellen im Dach der stillgelegten Düsseldorfer Maschinenfabrik und sind nicht etwa beabsichtigte Andeutungen auf den nassen Tod in der Wanne.

Christof Boy

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