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Kommunalwahlen lassen Israelis kalt

Heute werden neue Gemeindeverwaltungen und Bürgermeister gewählt / Parteien sehen darin einen Test für die nächsten Parlamentswahlen, doch die Bürger werfen Wahlpropaganda in den Müll / Beteiligung bei Kommunalwahlen erfahrungsgemäß gering  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die politischen Parteien in Israel messen den heutigen Kommunalwahlen eine weit über den lokalen Rahmen hinausgehende Bedeutung zu. Nach den Knessetwahlen im letzten Herbst gelten sie als wichtiger Gradmesser für die nächsten Parlamentswahlen.

Das Interesse der Parteien kontrastiert mit der Gleichgültigkeit der Bevölkerung, die sich zwar über die Kampagne zu den Knessetwahlen ereifert, nicht jedoch über die Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen.

Anzeigen in der Presse und mit der Post versandtes Werbematerial, das meist im Müll verschwindet, machen schon fast die ganze Kampagne aus. Parteienwerbung in Radio und TV, sonst üblich bei den Parlamentswahlen, gibt es diesmal nicht, und Wahlversammlungen werden kaum veranstaltet.

Das geringe Interesse an den Kommunalwahlen, die den Bürgern immerhin die Möglichkeit der Einflußnahme auf ihre Lebensbedingungen vor Ort geben, hängt vermutlich damit zusammen, daß die meisten Israelis nur wenig Erfahrung mit Bürgerinitiativen und individuellen oder kollektiven Interventionen in öffentliche Angelegenheiten haben. Man neigt eher dazu, es den Behörden zu überlassen, das Richtige zu tun, und ansonsten für sich und die Seinen durch privates Einschreiten Lösungswege zu finden. Dazu kommt, daß die Kommunalwahlen stark parteipolitisch orientiert oder personalisiert sind und spezifisch lokalen Problemen nur zweitrangige Bedeutung zukommt.

Der Likud ist mit dem Ziel angetreten, zu zeigen, daß er zur stärksten politischen Kraft geworden ist. Von den 99 jüdischen Gemeinden kontrolliert der Likud bisher allerdings nur 26. Die Arbeiterpartei regiert 45 Gemeinden, in anderen Orten sind es zum Teil Koalitionen oder religiöse Parteien. Die Wahlbeteiligung liegt bei den Kommunalwahlen bisher um fünfzig Prozent (Knessetwahlen: 80 Prozent). Eine Ausnahme bilden die 51 arabischen Gemeinden, in denen rund neunzig Prozent der Wahlberechtigten an die Urne gehen. In diesem Jahr hat die Vereinigte Führung des Palästinenseraufstands in den besetzten Gebieten die Palästinenser im annektierten Ost-Jerusalem zum Wahlboykott aufgerufen.

Bei den Bürgermeisterwahlen wird in Jerusalem der 77jährige Teddy Kollek von der Arbeiterpartei wiedergewählt werden, in Tel Aviv Shlomo Lahat vom Likud-Block.

Weniger eindeutig ist die Lage im „roten Haifa“, wo der sozialdemokratische Bürgermeister Arie Gurel von seinem rechten Konkurrenten, dem ehemaligen General Rami Dotan, abgelöst werden könnte. Vorsichtshalber hat die Arbeiterpartei gleich zwei Generäle auf ihre Liste gesetzt.

Insgesamt stehen hier dreizehn Listen zur Wahl. Obwohl zehn Prozent der Wählerschaft aus der Bevölkerungsgruppe der Palästinenser kommen, sind die Listen so zusammengesetzt, daß bestensfalls nur ein Araber Aussicht hat, in den neuen Stadtrat einzuziehen.

Die größten Chancen hierbei hat der Arzt Issa Niccola, der Spitzenkandidat der jüdisch-arabischen Liste der „Demokratischen Front“, die von der Kommunistischen Partei geführt wird.

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