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Teils Kind, teils Beruf

■ Kindererziehung mit vollem Lohnausgleich / Grünes Modell für „geschützte Teilzeitarbeit“ / Arbeitsgesellschaft an Bedürfnisse von Müttern und Vätern anpassen

Viel Zustimmung ernteten die Grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck-Oberdorf und ihre beiden Mitstreiterinnen Dr. Birgit Geissler und Dr. Birgit Pfau, als sie am Montag abend vor rund 50 ZuhörerInnen (ein Viertel Männer) ihr Modell Geschützte Teilzeitarbeit für Eltern vorstellten. Die Titelfrage der Veranstaltung - Arbeitsgesellschaft ohne Kinder? - beantworten die beiden Bremer Sozialwissenschaftlerinnen mit einem klaren „Nein!“. Nach ihrem Vorschlag, den sie im Auftrag der Grünen ausgearbeitet haben, sollen Beruf und Kinder künftig leichter miteinander vereinbar sein.

Das Modell geschützter Teilzeitarbeit sieht vor, daß Eltern von Kindern bis zu acht Jahren ihre Arbeitszeit um vier Stunden reduzieren können, für bis zu Zwölfjährige ist eine Verminderung um zwei Stunden möglich. Sind Vater und Mutter vorhanden, bleibt es ihnen überlassen, wie sie die vier Stunden unter sich aufteilen, ob beispielsweise der Vater auf vier Stunden geht oder beide auf sechs Stunden. Der Ver

dienstausfall durch die geringere Arbeitszeit wird ausgeglichen, ebenso die verringerten Sozialabgaben. Die Mittel dafür sollen - ähnlich wie das Arbeitslosengeld über eine Versicherung aufgebracht werden, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einbezahlen. Die Subvention soll nicht einheitlich sein, sondern den individuellen Einkommensverlust und die individuelle Einbuße bei den Sozialabgaben ausgleichen.

In der bisherigen Debatte ist das Modell von Geissler und Pfau häufig mit dem Argument kritisiert worden, es zementiere die herrschende Arbeitsteilung der Geschlechter, weil Frauen nun noch leichter in Teilzeit gehen oder gedrängt würden. Geissler stellte dagegen klar, ihr Ansatz ziele darauf ab, „den Frauen den Rücken zu stärken, indem man ihnen das Einkommen und die soziale Absicherung läßt, die sie verdient haben, bevor sie ein Kind bekommen haben“.

Birgit Pfau betonte, daß sie mit ihrem Modell „an der Realität einer großen Zahl von Frauen - im Moment noch überwiegend Frauen“ anknüpften. Denn viele

jüngere Frauen wollten Beruf und Kinder haben, und auch wenn das Kind klein sei, den Beruf kontinuierlich weiter ausüben. Damit träfen sie inzwischen vereinzelt auf offene Ohren in Großbetrieben und Verwaltungen, die qualifizierte Eltern halten wollten, auch wenn sie eine Zeitlang weniger arbeiten. Aber natürlich würden die Betriebe keinen Lohnausgleich bei verminderter Arbeitszeit zahlen. Bei Gewerkschaften und im alternativen Spektrum habe Teilzeitarbeit dagegen immer noch einen schlechten Ruf. Es gäbe bisher kaum Tarifverträge zur Teilzeit.

Marieluise Beck-Oberdorf erläuterte, der Entwurf sei auch eine Reaktion auf das Müttermanifest grüner Frauen. Deren Autorinnen hatten grünen Frauenpolitikerinnen vorgeworfen, sie hätten an der Lebenswirklichkeit von Frauen mit Kindern vorbeigedacht, wenn sie mit ihrem Anti -Diskriminierungsgesetz per Quote die Gleichstellung der Frauen im Beruf erreichen wollten. Das gegenwärtige Berufsleben sei überhaupt nicht auf Menschen zugeschnitten, die Kinder

zu versorgen hätten. Statt nun Lohn für Haus- und Kinderarbeit zu fordern, wählten Beck-Oberdorf und die beiden Bremer Sozialwissenschaftlerinnen den Ansatz, das Erwerbsleben wenigstens ein Stück weit den Bedürfnissen von Frauen und Männern mit kleinen Kindern anzupassen.

„Provoziert und diskriminiert“ von dem Vorschlag fühlte sich, jedenfalls hörbar, nur eine Besucherin. Sie habe sich gegen ein Kind und für ein Full-time-Berufsleben entschieden und fühle sich davon häufig auch sehr gestreßt. Deshalb sehe sie eine einseitige Bevorzugung von Eltern kleiner Kinder nicht ein. „Wirklich radikal“ sei dagegen eine Arbeitszeitverkürzung für alle auf sechs oder fünf Stunden. „Berufstätige Frauen mit Kindern sind so benachteiligt, für die muß es erstmal eine Gleichstellung geben“, folgte die Replik auf dem Fuße. Der Rest der Diskussion verlief ausgesprochen harmonisch.

Gaby Mayr

Der Entwurf „Geschützte Teilzeitarbeit für Eltern“ ist für eine Mark bei der Grünen Geschäftsstelle, Rembertistraße 93, erhältlich.

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