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Startbahnprozeß ohne Paßkontrolle

Startbahn-Prozeß mit Verlesung der Anklageschrift fortgesetzt / Keine Ausweiskontrollen mehr bei ProzeßbesucherInnen / Andreas S. gab Erklärung ab: Die Schüsse waren „objektiv konterrevolutionär“  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Mit einem Novum bei der Kontrolle der Prozeßöffentlichkeit begann gestern der 2. Tag des Startbahnprozesses. Vorsitzender Richter Erich Schieferstein gab bekannt, daß die Ausweise von ProzeßbesucherInnen nicht mehr kontrolliert würden. ZuschauerInnen wurden nur noch nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht. Die Verhandlung wurde mit der Verlesung der 16 Punkte umfassenden Anklageschrift fortgesetzt. Die Bundesanwaltschaft (BAW) klagt Andreas Eichler und Frank Hoffmann an, am 2. November 1987 an der Startbahn West die tödlichen Schüsse auf zwei Polizeibeamte abgegeben zu haben. Sie sollen außerdem drei weitere Polizisten durch Schüsse verletzt haben. Die BAW verdächtigt Eichler zudem der Rädelsführerschaft in einer „terroristischen“ beziehungsweise „kriminellen Vereinigung“.

Diese „Vereinigung“ soll außer den beiden des „gemeinschaftlichen Mordes“ Angeklagten aus sieben weiteren Personen bestanden haben. Laut BAW habe die „Vereinigung“ in wechselnder Besetzung von Juni 1986 bis Oktober 1987 im Rhein-Main-Gebiet und in Wackersdorf 13 Anschläge „und andere Straftaten“ begangen. Dazu gehören vier Aktionen gegen Strommasten und sieben Brandanschläge, in der Mehrzahl auf am Startbahn-Bau beteiligte Firmen. Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft haben die Angeklagten die „Anschläge gemeinsam geplant und erörtert“.

Vor Verlesung der Anklageschrift hatte der Vorsitzende Richter am 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt, Erich Schieferstein, die Räumung des Zuhörerraums angedroht. ZuhörerInnen hinter der Trennscheibe hatten den Bundesanwalt zunächst mit lautstarken Sprechchören: „Isohaft ist Folter, Isohaft ist Mord, Zusammenlegung jetzt sofort“ an der Verlesung gehindert.

In einer eineinhalbstündigen und von Applaus begleiteten Prozeßerklärung kritisierte Andreas S., daß es „keine gemeinsame Erklärung und Strategie der Angeklagten gibt“. Bei dem Prozeß, der mit der „Präzision eines Uhrwerkes ablaufen soll“, seien alle gefordert: „Die drinnen und die draußen.“ Solidarität draußen wäre ein „Hauch von Kollektivität“, sagte S. Und weiter: „Die Personen, die sich auf die andere Seite gestellt und Aussagen gemacht haben, gehören nicht mehr in unsere Reihen. Gerade die Aussagen, die draußen gemacht wurden, zeigen, daß es keine Fürsorgepflicht gegenüber den Gefangenen gab.“ Die Schüsse auf Polizeibeamte bezeichnete er als „objektiv konterrevolutionär“. In seiner Erklärung kündigte er zudem an, sich dem Hungerstreik der Gefangenen aus Guerilla und Widerstand für die Zusammenlegung anzuschließen.

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