: SPD will später alles
■ SPD und Ausländerwahlrecht: Wenig da, alle dafür, Debatte fiel aus / Wedemeier „selbstkritisch: Kurz nach der Wahl war die Betroffenheit groß - und das war es dann auch.“
Wenn Bausenator Konrad Kunick und Bürgermeister Klaus Wedemeier Recht haben, dann geht bei der Frage, ob AusländerInnen in Bremen wählen dürfen sollen, „der Riß bis in die Seele der sozialdemokratischen Wählerschaft“. Dienstag abend aber, als es um die Debatte dieser auch innerhalb der SPD gerade nicht offen umstrittenen, aber höchst strittige Frage gehen sollte, zeigten die GenossInnen weder Riß noch Mut zum Zweifel, sondern Schulterschluß und ihr Herz auf dem rechten Fleck.
Über „eins der zentralen Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode“, nämlich die SPD-Gesetzesnovelle zur Direktwahl der Stadtteil-Beiräte und zum Wahlrecht für AusländerInnen, hatte der SPD-Landesverband seine „Funktionsträger“ zur „parteiinternen Meinungsbildung“ eingeladen. Als dann um 21 Uhr die Landesvorsitzende Ilse Janz nach einer beeindruckend langen Reihe von positiv -zustimmenden Referaten die Diskussion eröffnete, meldete sich - niemand. Nur der Beiratssprecher aus Huchting gab vor dem
halb gefüllten Saal im Konsul-Hackfeld-Haus Datum und Uhrzeit für sein Ausländerfest bekannt. Das war's. Man zog die Mäntel an und ging nach Hause.
In großer Übereinstimmung hatten zuvor SPD-Chefin Ilse Janz, Franktionschef Claus Dittbrenner und Innendeputationssprecher Jürgen Janke ebenso wie VertreterInnen des DGB, der Arbeiterkammer, der Angestelltenkammer, der Arbeiterwohlfahrt, des Dachverbandes ausländischer Kulturvereine DAB, ja sogar des Landessportbundes einhellig das geplante Wahlrecht für die Beiräte „als ersten Schritt ausdrücklich begrüßt“ und dann gefordert, daß das richtige Kommunale Wahlrecht für AusländerInnen kommen müsse - und zwar nicht nur für die aus EG-Mitgliedstaaten, wie der Jurist und Justizsenator Volker Kröning jüngst vorgeschlagen hatte. Nur der Vertreter der Handelskammer sah „keine sinnvolle Veranlassung“ für das Kommunale Wahlrecht für Nicht-EG-Mitglieder, bekam auch ein bißchen Beifall und damit Schluß.
Debatte oder Streit war durch
die Redeliste eigentlich von vorn herein ausgeschlossen, der Justizsenator nicht als Referent geladen, er durfte zuhören. Immerhin wird seit seinem Vorstoß das kleine Ausländer -Wahlrecht zu den bremischen Stadtteil-Beiräten ohne große Kompetenzen unterschieden vom EG-weit diskutierten Kommunalen Wahlrecht: Wie eine Mogelpackung war das erste oft unter dem Namen des zweiten verkauft worden.
Als letzter stieg der Bürgermeister in die Bütt und betonte, ohne den Namen des in Ungnade gefallenen Justizsenators zu nennen, der Senat habe erst wenige Stunden zuvor „einstimmig und nach wie vor einheitlich“ befunden, daß „alle in der BRD lebenden Ausländer künftig das Kommunale Wahlrecht“ erhalten sollen und die Direktwahl der Beiräte und das zugehörige Ausländer-Wahlrecht beschlossen. Wedemeier geradezu leidenschaftlich: „Ich kann auf ein Kommunales Wahlrecht nur für EG-Bürger ganz verzichten, wenn Türken, Chilenen und Argentinier nicht mitwählen dürfen!“ Ganz großer Applaus.
Da gab es wohl nichts mehr zu sagen. Was ein solches Wahlverfahren zur bremischen Stadtbürgerschaft bedeuten würde, die bis jetzt gleichzeitig mit dem Landesparlament gewählt wird, blieb sorgfältig außen vor. Die Grünen haben bereits eine Vorlage für das weitergehende Ausländer -Landeswahlrecht angekündigt.
Der UB-Ost Vorsitzende Armin Stolle sprach nach der blassen Veranstaltung gegenüber der taz offen seine „Enttäuschung“ über die schlappe Beteiligung aus: „Der Saal hätte voll sein müssen!“ Wie die stummen Zweiflerinnen und Zögerer in der SPD, aber auch in der Bevölkerung gewonnen werden können, blieb unklar. Fraktionschef Dittbrenner stellt sich vor, „mit Veranstaltungen verstärkt in den Wohnbezirken zu werben“. Aufklärung und Kampagnen gegen Ausländerfeindlichkeit waren auch nach der letzten Bürgerschaftswahl folgenlos gefordert worden. Wedemeier am Dienstag „ganz selbstkritisch: Kurz nach der Wahl war die Betroffenheit groß - und das war es dann auch.“ Susanne Paa
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