: SAXOPHONE MOBILMACHUNG
■ Das „Berliner Saxophon Quartett“ spielt „Unerhörte Musik“ im BKA
Das „Berliner Saxophon Quartett“ spielt - fast - alles, was den schlimmen Titel 'Ernste Musik‘ trägt, angefangen bei einigen Bearbeitungen 'alter Musik‘, über spätromantische Originalliteratur, Uraufführungen 'neuer Musik‘ bis zu Improvisationen. Am Dienstag gab's im BKA Improvisiertes, in „Formen“ und „Details“.
Alle spielen jedes Saxophon, die instrumentale Ausdrucksfähigkeit der vier nimmt kein Ende: Sie lassen „schöne“ vibrierte Töne gegen ein exaltiertes Geschnatter prallen, pusten tonlos ins Rohr und quatschen ihre Instrumente voll! Die Figurationen und Formen der Musik ergeben sich, während gespielt wird. Jeder spontane Einfall verändert die Richtung des Geschehens. Klappenklopfen und Mundstückgeschmatze werden zu einer lautmalerischen Fremdsprache. Doch gespielt wird nicht nur musikalisch: Aus der ständigen Aufmerksamkeit für die Ideen der anderen entstehen minimal-theatralische Possen. Dem anderen, jeweils gerade Spielenden fingern sie in die Klappen, ein Sopransax verschwindet kurz im Trichter eines großen, zum eben gefundenen Rhythmus fangen sie an zu steppen - bis ein Tango draus wird. Den parodieren sie mit allen säxischen und geräuschvollen Mitteln. Als sie dann den ganzen Saal zur Bühne machen und spielend zwischen den HörerInnen herumspazieren, wird denen ziemlich schwindelig: Dieses quadrophone Live-Gebläse läßt sich nicht mehr orten, der Klang kommt von überall. Christof Griese blubbert mit seinem Sopransaxophon in einer Wasserschüssel, Klaus Kreczmarsky findet auf der Bühne einen Knopf, den er seinem Kollegen in den Trichter schmeißt, und Friedemann Graef kann vor Lachen nicht mehr spielen, als Detlef Bensmann in sein Baßsaxophon greint - ein elegischer Elefant.
Ernste Musik? Selten so gelacht! - Das „Berliner Saxophon Quartett“ spielt zwar keinen Jazz, aber die Gratwanderung ihrer saxophonen Mobilmachung verdient einen anderen Namen als die schnöde „E-Musik“. In den nächsten Wochen wird übrigens, da die Musiker keine finanzielle Unterstützung mehr vom alten Senat (oder noch nicht vom neuen?) bekommen, ein „Förderverein des Berliner Saxophon Quartetts“ gegründet.
Christian Vandersee
Nächstes Konzert: 7. März, 20 Uhr, im BKA, Mehringdamm, Folkmar Hein, Elektronik, Beata-Gabriela Schmitt, Flöten „Veränderungen der Technik, Veränderungen der Ästhetik„; Werke von Krenek, Blacher, Beyer u.a.
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