KURZ VOR DEM NICHTS

■ Hermann Bachmann in der Galerie Springer Berlin

„Dämmerung“ nennt der Maler Hermann Bachmann, der 1950 das erste Mal in der Galerie Springer ausstellte, seine neuen Bilder. Sie meinen die Dämmerung in allen literarischen Bedeutungen des Wortes: das Ende des Tages, eines Menschenlebens, des Lebens. Ein ganz schmales Segment der untergehenden Sonne ist noch am unteren Bildrand auszumachen, von dem ein wenig dunkelroter Glanz ausgeht. Doch der Rest der Farben ist schon verschwunden, und an das dämmernde Grauschwarz müssen sich die Augen erst gewöhnen, bevor sie erkennen können.

Welcher Tod spielt sich in diesen Bildern ab, welches Sterben bereitet sich in ihnen vor? „Kain trägt“, selbst schon ein Skelett, einen Toten weg, der in den Körper des Trägers hineingewachsen zu sein scheint. Der zusammengeflickte „Golem“ wendet sich aus dem Bild ab mit dem Ungeschick und der Scham dessen, der sich häßlich fühlt und nicht gesehen werden will. In „Ohn Unterlaß“ ist im Geschiebe die Anzahl der Wesen gar nicht mehr genau zu ermitteln, aber immer scheint vorne einer zu stürzen und zusammenzubrechen unter dem Druck derer, die von hinten ständig nachdrängen. „Beiläufig“: Ein Schädel verdoppelt sich in seinem Schatten, aus dem auch die letzten Konturen getilgt sind.

Bachmann malt auf ungrundierter Leinwand, sie saugt die Farbe auf, verschlingt sie gefräßig, absorbiert immer wieder, immer noch das vom Maler gemalte Bild. Das Bild selbst droht ins Unkenntliche wegzudämmern. Die Bilder stehen kurz vor der völligen Schwärze - der Nichtfarbe und der Summe aller Farben, dem Nicht-mehr-zu-Malenden und der Summe alles gemalten. Genauso balancieren ihre Figurationen auf einer Schwelle zwischen Gegenständlichkeit und bloßen dunklen Farbzusammenballungen. Die Gestalten lassen nicht bestimmen, ob es sich um das Bild Lebender oder Toter handelt. Eintauchend in die Dämmerung, in den Moment des Vergehens der Farben, wird so für Bachmann die Darstellbarkeit der Figuren überhaupt zum Problem.

Katrin Bettina Müller