Mehr Umwelt- und Naturschutz in Kleingärten in Frage gestellt-betr.: "Laubenpieper wollen Wohnungsnot lindern", taz vom 28.2.89

Betr.: „Laubenpieper wollen Wohnungsnot lindern“, taz vom 28.2.89

Der vom Vorsitzenden Rainer E.Klemke vorgetragene Vorschlag für ein zeitlich begrenztes Dauerwohnrecht stellt alle Bemühungen um mehr Umwelt- und Naturschutz in den Kleingärten in Frage.

Schon heute belasten viele Laubenpieper Boden und Grundwasser mit einer ungeordneten Fäkalien- und Abwasserentsorgung. (...) Eine geregelte Abwasserentsorgung ist in den Kleingärten bisher nicht möglich - bei einer Wohnnutzung träten völlig unzumutbare Zustände ein. Allein aus ökologischen Gründen verbietet sich das Nachdenken über eine Wohnnutzung von Kleingärten. Der Vorschlag von Klemke ist auch insofern interessant, als sein Kleingartenverein noch nicht einmal an die Abfallentsorgung der BSR angeschlossen ist, und nachweislich Abfall unlängst aus den Gartenböden zutage gefördert wurde.

Ein Wohnrecht in Kleingärten würde zwangsläufig die Gemeinnützigkeit von Kleingärten auf privaten (nicht landeseigenen) Grundstücken aufheben. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pachtpreisbindung ist gerade in diesem Zusammenhang in kürze zu erwarten. Zur Rechtslage: Kleingärten sind Grünflächen, keine Wohngebiete. Das Bundeskleingartengesetz sichert diese Flächen gegenüber dem freien Grundstücksmarkt ab und erkennt die kleingärtnerische Nutzung als gemeinnützig an. (...)

Private Verpächter werden durch die Pachtpreisbindung daran gehindert, marktübliche Preise für derartige Gelände zu erheben, die sich im Zweifelsfall an den Profitraten von Freizeitanlagen (Campingplätzen oder Freizeitsiedlungen) messen ließen. Private Grundstücke sind in diesem Fall jedoch auch die Flächen von Grundstücksverwaltungen wie Bahn, Post u.v.m. Der Schutz der Pachtpreisbindung wäre danach für mehrere tausend Kleingärten in Berlin aufzuheben, mit der Folge, daß viele Gartenfreunde sich künftig nur noch ihre Wohnung, nicht jedoch noch einen Kleingarten leisten könnten. Eine Privatisierung der landeseigenen Kleingartenflächen wäre dann nur noch eine Frage der Zeit.

Der Vorschlag von Klemke weckt damit Begehrlichkeiten ganz anderer Art, die letztlich zu einer Hochzonierung der Kleingärten zu Kleinsiedlungsgebieten führen, in denen nicht demokratisch gewählte Vorstände von gemeinnützigen Vereinen, sondern private Grundstücksmakler das Sagen hätten.

Befremdend ist es schon, welche Kapriolen ein Vereinsvorstand vollführt, um seine Kolonie vor der Bebauung zu retten. Die Alternative „Kleingarten“ zum Wohnungsbau ist nicht existent. Ein gemeinnütziger sozialer Wohnungsbau ist durch nichts zu ersetzen, wenn wir nicht zurück zu ökologischen Nissenhütten wollen.

Michael Springer, Stiftung Naturschutz Berlin, Projekt Ökolaube