: Standbild: Haarscharf am Thema vorbei
■ Leidenschaft für eine Idee - Das Christopherus-Haus
(Leidenschaft für eine Idee - Das Christophorus-Haus, Montag, 6.3., 20.30 Uhr, West 3) Je länger der Film läuft, desto mehr steigt meine Bewunderung für Ingeborg Harmsen. Sie hat ihr Eigenheim verkauft, allem Materiellen abgeschworen und mit den 350.000 Mark Erlösen aus ihrem Besitz das Christophorus-Haus, ein „Zentrum für Krebsbetroffene“, gestiftet. Die gute Tat. Sie ist hilfsbereit und engagiert, kümmert sich, und wahrscheinlich würde das freundliche Bild einer Seele von Mensch bis zum Schluß des Films vorhalten , wäre da nicht diese Szene im Garten des ehemaligen Hauses, wo Ingeborg Harmsen einen Halbsatz zu viel beteuert, wie wenig ihr Eigentum nun bedeute, um wieviel „reicher ihr Leben“ jetzt sei.
Es ist bitter festzustellen, daß Nächstenliebe oft nicht so selbstlos ist, wie sie sich nach außen hin gibt, und es ist noch schwieriger, dies zu monieren, wo doch leidenden Menschen geholfen wird, ihre letzten Tage schmerzfrei und in Würde verbringen zu können. Aber trotzdem erschreckt der Satz, der 'rausschlüpft, als der Mann von Ingeborg Harmsen am Ende des Filmes über seine Ängste reden soll: „Vielleicht ist die Idee nur entstanden, um die eigene Angst vor dem Tod in den Griff zu bekommen.“
Das Eingeständnis eigener Schwäche hebt sich auch deshalb so ab, weil der Rest des Films nichts über das sagt, was die Serie Tod in Deutschland zu zeigen vorgibt: über den Tod reden, wo andere Medien schweigen und nur das Sensationelle im Augenblick des Sterbens festhalten. Genau das passiert aber nicht. Der Film von Ulrike Rode und Ernst-Michael Wingens weicht aus, schweift ab auf Behandlungsmethoden des Schmerzes und auf Finanzierungsmodelle der Tagesklinik. Er verhält sich ebenso wie wir, wenn wir uns mit dem Tod beschäftigen sollen. Tod, das heißt vor allem, das Leben davor verlängern. Ingeborg Harmsen sagt es ganz deutlich: „Ich brauche und wir suchen den lebenden Menschen, das Lebendige.“
Christof Boy
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen