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Statt Kudamm „Bertha-von-Suttner-Straße“

■ Rund zweihundert Demonstrantinnen benannten gestern anläßlich des Frauentages zwölf Straßen in der Innenstadt nach berühmten Frauen um / Straßennamen sind bisher eine Domäne der Männer / Nur Pfade und Seitenstraßen memorieren das weibliche Geschlecht

Berliner Straßen - Asphalt gewordene Zeugnisse männlicher Größe: Otto von Bismarck, Albert Einstein, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Otto Suhr und Ernst Reuter. Tausende wandeln täglich auf ihren teernen Gedächtnisspuren, memorieren Tag für Tag ihre Namen: Hardenberg, Knesebeck, Kaiser Friedrich, Clay und Gary. Und wenn der Kudamm auf einmal Bertha-von-Suttner-Straße hieße?

„Nee, nicht doch der Kurfürstendamm! Das erlauben die doch nicht.“ Das ältere Ehepaar ist sich ganz sicher. Außerdem: „Denken Sie doch mal an die älteren Leute, da kennt sich ja keiner mehr aus.“ Grundsätzlich hätte sie ja nichts dagegen, Straßen nach Frauen zu benennen, erklärt mir die Frau, während ihr Mann sie am Ärmel zerrt. Die U-Bahn würde doch jetzt erweitert, da könnte man doch einen der neuen U -Bahnhöfe nach einer Frau benennen. „Oder nehmen sie doch eine der vielen doppelten Straßen. Die Berliner Straße, das wäre doch nicht schlecht.“

Der Kudamm heißt heute tatsächlich nach der ersten Friedensnobelpreisträgerin Bertha-von-Suttner-Straße, auch wenn das Straßenschild nur aus Pappe ist. Rund zweihundert Frauen ziehen mit Leiter und lila Luftballons langsam die Kaufmeile runter. Zwölf Straßen und Plätze stehen auf ihrer Liste, die anläßlich des Frauentages umbenannt werden sollen. Der Zug geht vom „Platz der Trümmerfrauen“, vormals Adenauerplatz, bis zum „Weltfrauenbrunnen“, bislang im Volksmund Wasserklops. Organisiert hat die Umbenennung der Frauen-Koordinationskreis, ein Zusammenschluß verschiedener Frauengruppen von SPD bis SEW.

„Die Aktion ist natürlich symbolisch zu verstehen“, erklärt Ingrid Holzhüter, SPD-Abgeordnete aus Tempelhof. Es gelte, Frauenpräsenz deutlich zu machen und den Stadtvätern mal zu zeigen, daß Frauen bei der Straßenbenennung bislang einfach übergangen wurden.

Rund 2.000 der 6.000 Straßen in West-Berlin sind nach Personen benannt. Natürlich finden sich auf dem Stadtplan auch Frauen, die den Stadtvätern eine steinerne Ehrung wert waren. Marianne zum Beispiel, Hildegard, Cäcilie, Sophie Charlotte und Viktoria-Auguste. Die meisten der 165 „Frauenstraßen“ tragen bloß einen Vornamen. Nur 23 Frauen wurden wegen ihrer Verdienste geehrt. Die Sozialpolitikerin Marie-Elisabeth Lüders zum Beispiel, der eine kleine Verbindungsstraße zwischen Otto Suhr und Bismarck zugedacht wurde. Hauptstraßen fordern daher die Frauen jetzt, denn von den 23 „Frauenstraßen“ liegen zwölf unter Niveau: Frauen werden nur Wege, Pfade und Seitenstraßen zugestanden.

Jede der zwölf beteiligten Frauengruppen durfte eine Straße oder einen Platz benennen. So findet sich jetzt am Kudamm sowohl eine Clara-Zetkin-Straße (ehemals Wielandstraße) als auch eine Marie-Schlei-Straße (Joachimsthaler Platz), benannt nach der ersten Ministerin für Entwicklungshilfe.

Ein alter Herr, der das Geschehen beobachtet, ist begeistert: „Wir brauen doch keine alten Kurfürsten mehr, da kann was Neues hin.“ Und eine andere Passantin: „Genau, den Adenauerplatz haben sie ja auch nach dem Krieg neu gemacht. Warum nicht Luise-Schröder-Platz? Nach der benennen sie ein Altersheim. Ist ja wieder mal typisch!“

-guth

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