Weg frei für Repressionsgesetze

Koalition einig über endgültige Fassung eines neuen Gesetzespakets zur inneren Sicherheit / Fünf FDP-Abgeordnete wollen im Bundestag nicht zustimmen / Kronzeugenregelung stark interpretationsbedürftig  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Der Rechtsausschuß des Bundestages machte mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gestern den Weg frei für die Verabschiedung der neuen Repressionsgesetze zur Inneren Sicherheit. Gleichzeitig erklärten fünf FDP-Abgeordnete, daß sie dem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden.

Das sogenannte Artikelgesetz macht Vermummung und „passive Bewaffnung“ zur Straftat und legalisiert Vorbeugehaft für Demonstranten sowie Strafvergünstigungen für Kronzeugen. Es soll bereits zum Sommer in Kraft treten.

Erst am Vorabend war in einer erneuten Koalitionsabsprache die nun endgültige Fassung eines Paragraphen beschlossen worden, die erstmals das polizeiliche Filmen bei Demonstrationen gesetzlich regelt: Danach dürfen Aufnahmen von Teilnehmern gemacht werden, wenn „von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen“. Die Aufnahmen dürfen auch zur „Gefahrenabwehr“ aufgehoben und müssen erst nach drei Jahren vernichtet werden, falls sie nicht für ein Strafverfahren gebraucht werden.

Der FDP-Rechtspolitiker Irmer stellte dies als „wesentliche Verbesserung“ heraus; für Demonstranten „ohne böse Absichten“ gebe es nun keinen Grund mehr, sich zu vermummen.

Sein Ausschußkollege von der Grünen-Fraktion, Gerald Häfner, nannte den Filmparagraphen hingegen „ein Vermummungsgebot“: Jeder Demonstrationsteilnehmer müsse befürchten, gefilmt und gespeichert zu werden, zumal von seiten des Innenministeriums im Ausschuß bekräftigt worden sei, daß Übersichtsaufnahmen von Demonstrationen als „taktisches Führungsmittel der Polizei“ notwendig seien.

Für die von der FDP geäußerte Erwartung, nichtverdächtige Teilnehmer würden aus den Filmen „herausgeschnitten“, gibt es keine Grundlage.

Bei der Kronzeugenregelung muß künftig zwar ein Strafsenat und nicht nur der Ermittlungsrichter den Denunzianten beurteilen, jedoch ist im Prinzip nicht ausgeschlossen, daß dafür eine Sonderinstanz beim Bundesgerichtshof gebildet wird.

Der Gesetzestext spricht nämlich nicht ausdrücklich von dem für das Verfahren zuständigen Senat. Dies erschien selbst einem CDU-Abgeordneten bedenklich.

Die FDP-Parlamentarier Hirsch, Baum, Lüder, Richter und Segall erklärten gestern, daß sie dem Gesetz bei der Verabschiedung im Bundestag in der kommenden Woche nicht zustimmen werden. Das gesamte Gesetzespaket werde „nicht zum Rechtsfrieden beitragen, sondern neue Probleme schaffen“.

Die FDP-Minderheit hatte bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes auf erneuten Beratungsbedarf gedrungen, doch wurden ihre Forderungen auch in der eigenen Fraktion abgebürstet. An der gestrigen, mittlerweile achten Erörterung im Rechtsausschuß nahmen die „Dissidenten“ Hirsch und Lüder gar nicht mehr teil.