: Drupa verankert freies Wochenende
Aus Protest gegen den Tarifabschluß kündigt der 'Stern'-Verlag Gruner&Jahr die Mitgliedschaft in der Arbeitgebervereinigung / Steurliche Einbußen für Sonderschichten werden finanziell ausgeglichen ■ Von Fauch und Kempe
Berlin/Wiesbaden (taz) - In der Druckindustrie wird es in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen Wochenendarbeit geben. Nach insgesamt 112 Stunden Sitzungsmarathon und ungezählten Streikaktionen im gesamten Bundesgebiet haben die Tarifparteien der Druckindustrie am frühen Freitag morgen ein Tarifvertragswerk unterschrieben, das von der Wochenendarbeit bis zur Teilzeitbeschäftigung einige der wichtigsten innenpolitischen Kontroversen thematisiert. Zuvor hatte die Große Tarifkommission der IG Druck und Papier am Donnerstag abend mit 45 gegen zehn Stimmen den Kompromiß gebilligt. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Einigung hat der Verlag Gruner&Jahr aus Protest seine Mitgliedschaft im Bundesverband Druck, der Arbeitgebervereinigung der Druckindustrie, gekündigt.
Der Tarifkompromiß schreibt für mehr als 90 Prozent der rund 100.000 Druckbeschäftigten außerhalb der Tageszeitungsproduktion die Wochenarbeit auf die Tage von Montag bis Freitag fest. Wochenendarbeit wird ausgeschlossen. Lediglich für die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften darf mit genau festgelegten Einschränkungen am Samstag oder Sonntag gearbeitet werden. Damit ist die Druckindustrie nach dem Baugewerbe mit einer Million Beschäftigten der zweite große Wirtschaftszweig, in dem das freie Wochenende tarifvertraglich verankert wird.
Bei der Produktion aktueller Zeitschriften darf in Zukunft an höchstens 13 Samstagen bis 23 Uhr gegen entsprechende Schichtzuschläge gearbeitet werden, wenn dies produktionstechnisch unabweisbar notwendig ist. Für den am Wochenende produzierten und am Montag erscheienenden 'Spiegel‘ wurde eine Sonderregelung getroffen, die dem Betriebsrat die Möglichkeit gibt, andere Arbeitszeiten zu vereinbaren. Um eine wettbewerbsverzerrende Ausweitung der Kapazitäten durch die Samstagsarbeit im Zeitschriftendruck zu verhindern, hat die Gewerkschaft eine zusätzliche „Korsettstange“ durchsetzen können: „Arbeitnehmer, die zur Produktion von Zeitschriften in regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit am Samstag arbeiten, haben am Sonntag und Montag der jeweiligen Woche arbeitsfrei.“
Während sich die IG Druck bei ihrer Forderung nach Begrenzung der Überstunden nicht durchsetzen konnte, hat sie den Ausgleich der durch die Steuerreform verursachten Einbußen bei Schichtarbeitern erreicht. Für Spät- und Nachtschichtarbeit, für Sonntags- und Feiertagsarbeit wurden die Zuschläge entsprechend erhöht. Beim Gesundheitsschutz erhalten die Arbeiter ein „individuelles Beschwerderecht“.
Nicht zufrieden ist die Drupa mit dem, was sie zur Teilzeitarbeit durchgesetzt hat. Teilzeitarbeit „muß“ (statt bisher „soll“) mindestens 20 Stunden umfassen. Damit sollte gewährleistet werden, daß in der Druckindustrie Teilzeitarbeitsverhältnisse nicht unter die Versicherungsgrenze fallen. Aber auch das „muß“ läßt noch viele Hintertürchen offen.
Der Kompromiß von Wiesbaden enthält auch das bei Arbeitskämpfen übliche „Maßregelungsverbot“, das den Arbeitgebern untersagt, Beschäftigte wegen ihrer Teilnahme an Streikaktionen arbeitsrechtlich zu belangen. Dies bezieht sich auch auf Journalisten, die sich auf Grund von Aufrufen der Journalistenorganisationen dju (innerhalb der Druck und Papier) und DJV an Solidaritätsstreiks beteiligt hatten. Inzwischen waren nämlich blaue Briefe auf die Schreibtische streikender Journalisten geflattert, die laut Drupa ein „Versuch der Einschüchterung“ sind. Ein Verlag in Mainz, so die Drupa, habe streikende Redakteure angeschrieben und ihre „Sympathie- und Solidaritätsstreiks“ als Rechtsbruch bezeichnet.
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