Laudahahahate Dohohminuhuhum

■ Die Geburt der Musik aus dem Geist des frömmelnden Singsangs

Unter der Kanzel ein Dutzend weiß-linnen-gewandeter Herren, sackartig züchtig verhülltes mönchisches Männner-Fleisch. Nur die Gesichter, in Sonderheit die Münder, sind freigelegt zum höheren Preise Gottes. Die Münder singen Laudahahahatehehe Dohohohohomihihinum.

Was heißt singen? Eigentlich sprechen die Münder moduliert chorisch-kollektiv, drücken die besondere Intensität ihrer gemeinsamen Gläubigkeit in der einzig möglichen Form aus, die den ganzen Gemeinde-Laden nicht heillos durcheinander geraten läßt. Inbrünstig wird jeder Vokal über -dehnt, jede Textsilbe mit vergeistigter Erregung musikalisch belastet und überfrachtet, ihre äußere Rhythmisierung zur Versinnlichung einer inneren, gläubigen Bewegung genutzt. Es handelt sich um den einstimmigen Versuch, in der Textkürze eines einzigen Psalms die gesamte unterwürfige Bereitschaft dieses Männerkollektivs unter Gottes Wort zu verstauen, den Text künst-lich mit der meditativen Durchdringung seines Sinns aufzublähen. Die Kunst dieser Künstlichkeit ist die Musik. Sie dient allein der Beschwerung des Wortes. Das Wort ist das Wort Gottes.

Man wird Pastor Hans-Martin Sixt unterstellen dürfen, daß er nicht gedankenlos gregorianische Gesänge liturgisch um seine Predigt herumgruppierte. Denn auch die war nichts anderes als der eher unzeitgemäße Versuch, sich ganz in den Dienst des zuvor gelesenen Bibelwortes zu stellen, die Kanzel zur Bibel-Meditation zu nutzen, sich ihren Bildern vorsichtig und gründlich zu nähern. Kein Versuch einer alltagstauglichen Aktualisierung, einer anwendungsorientierten Gebrauchsanweisung zum Mitnachausnehmen und Beherzigen bis zum Sonntags-Kaffee-und -Kuchen. Hans-Martin Sixt ging es um die Bedeutung von Lukas 18 hier und heute nur insofern, als es sich um seine Bedeutung jetzt und immerdar von Ewigkeit zu Ewigkeit handelt.

Jesus auf dem Weg von Jericho hinauf nach Jerusalem. Jesus auf dem Weg in den Tod. Begleitet von seinen Jüngern, die nichts verstehen, nicht begreifen, warum die durch den Messias versprochene Erlösung sich ausgerechnet in dessen Tod erfüllt. Auch für die Jünger ist der Tod Ende und nicht Anfang. Sie sind „blind“ für Gottes Wort. Selbst sie.

Am Weg durch die Wüste Juda aber trifft der kleine Troß einen wirklich Blinden. Der bittet Jesus, ihn zu heilen. Und er wird erhört, und Jesus heilt ihn und spricht: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Was also sollen wir daraus lernen, wenn es nach pastor Sixt geht? Natürlich: Wahrer Glaube macht sehend, und wer nicht glaubt, läuft mit verschlossenen Augen durch die Welt.

Das sieht einem Pastor ähnlich. Logisch schiene mir eine andere Interpretation nach so viel gründlicher Meditation, nämlich daß die besten Christen von jeher die waren, die von ihrer jenseitsorientierten Frömmigkeit Diesseitiges zu gewinnen hatten. Und selbst ordentliche Christenmenschen, für die man die Jesu Jünger wohl mit Fug und Recht halten muß, ihren Glauben nur allzugern verlieren, wenn er sie etwas kostet. Und sei's nur eine Illusion. Ahahahamen.

Klaus Schloesser